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Die Auferstehung hat viele Gesichter

Ostern ist das Fest des Lebens: Dem Tod ist seine Macht genommen. Aber was heißt das? Um das zu verstehen, muss man sich zunächst da hinwagen, wo keiner gerne hingeht: ans Grab.

Eine Beerdigung ist eine gestrenge Lehrmeisterin. Wer am Grab steht, spürt bis in Mark und Bein, was der Mensch sonst gerne verdrängt: Wir können dem Tod nicht ausweichen. Der Tod wartet. Er kommt. Auch zu mir: Heute oder morgen. Nächstes Jahr – oder vielleicht viel später. Aber auch das ist ja nur aufgeschoben. Denn irgendwann ist er da. Und eigentlich immer zu früh.

Der Tod, er ist der Knackpunkt des Lebens. Knackpunkt, weil etwas zerbricht. Aber Knackpunkt auch im übertragenen Sinn: als entscheidender Punkt, von dem Wichtiges abhängt. Im Angesicht des Todes stellt sich nämlich die Frage: Ist mein Leben nur eine vorübergehende Episode? Eine Zufälligkeit in der Ewigkeit, ein Hauch im Universum, der vergeht? Oder etwas, das bleibt? Das einen Sinn ergibt? Folgt es einem Ziel, steht es in einem größeren Zusammenhang?

Ostern gibt eine Antwort auf diese Frage. Eine, die fast zu schön ist, als dass die Menschen sie glauben könnten, nämlich: Der Tod ist nicht das Ende. Sicher, das Leben setzt für einen Augenblick aus. Aber dann geht es weiter.

Die Auferstehung aus dem Tod ist eine zentrale Botschaft des christlichen Glaubens: So, wie Jesus Christus nicht im Tod geblieben ist, so werden auch wir auferstehen. Leid  und Tod haben ihre Zeit. Sie sind tatsächliche Wirklichkeit. Realität. Aber sie gehen vorbei. Sie sind nur ein Übergangsstadium in eine neue, heile und vollendete Welt. Das ist Ostern.

Dieses Wissen gibt Menschen seit 2000 Jahren Kraft, Trost und Geborgenheit. Auch in schwersten Zeiten. So konnte Paul Gerhardt im Angesicht des Grauens im Dreißigjährigen Krieg Lieder voller Gottvertrauen schreiben wie: Befiehl du deine Wege. Sophie Scholl von der Widerstandsbewegung der Weißen Rose beeindruckte mit ihrer Glaubensgewissheit die Nazi-Schergen, die sie verhörten. Ähnlich der Theologe Dietrich Bonhoeffer angesichts der bevorstehenden Hinrichtung. Der Glaube an die Auferstehung vertröstet nicht auf ein jenseitiges Leben, wie es ihm oft vorgeworfen wird. Er gibt im Gegenteil die Kraft, sich hier und jetzt, in diesem Leben, aufzulehnen gegen Tod, Leid und Niedergeschlagenheit.

Aber: Der Glaube an die Auferstehung ist oft wie ein wankender Halm im Wind. Ein Hin und Her. Mal hält das Herz daran fest, ist sich gewiss: Ja! Ich brauche keine Angst zu haben; ich werde auferstehen. Dann wieder verzagt es und blickt voller Schrecken auf den Tod: O Gott, wo bist du? Denn da ist nichts, was man mit Augen sehen, mit Ohren hören oder mit Händen ertasten könnte.

Die Auferstehung will geglaubt werden. Was aber macht, dass Menschen diesen Glauben glauben können? Die christliche Lehre sagt: Das macht Gott selbst, nämlich durch seinen Heiligen Geist. Der wirkt durch Erziehung, durch das Hören und Lesen der biblischen Geschichten, durch Predigt und kirchlichen Unterricht, durch Singen und Gebet.

Eines darf aber nicht vergessen werden: Der Heilige Geist wirkt auch darin, dass Menschen mit ihrem Leben und Verhalten auf die Auferstehung hinweisen. Sie sind wie Zeugnisse oder Zeugen dafür, dass es so etwas gibt: die Überwindung des Todes.
Das können unscheinbare Dinge sein oder auch spektakuläre Ereignisse. Der Nachbar, der hilft, die zugefallene Haustür zu öffnen – obwohl es in Strömen regnet. Die Arzthelferin, die der verängstigten Patientin über den Arm streicht und sie tröstet. Die Freundin, die dir sagt: Egal, was dir jetzt nach deiner Krebsdiagnose passiert – ich bin für dich da, unter allen Umständen und immer.

Damit ist der Krebs noch nicht besiegt. Die Ehe noch nicht gerettet. Die Arbeitslosigkeit noch nicht vorbei. Aber: Plötzlich sind da Trost und die Kraft weiterzumachen. Verständnis, Mitgefühl. Mitleiden. Hilfe. Ein Stück des Weges gemeinsam gehen. Zuhören. Für den anderen schlicht da sein. Sie oder ihn akzeptieren. Gemeinsam das Leid aushalten, die Ohnmacht. Statt Ratschläge zu geben und damit das Leid herunterzuspielen. An diesen Stellen kann die Auferstehung aufblitzen. Wie Signale aus der neuen, der anderen Welt, die noch auf uns wartet.

Was da passiert, kann man am ehesten verstehen, wenn man an eine Mutter oder einen Vater denkt, die ihr Kind in den Arm nehmen. Und es trösten. Und ihm sagen: Ich bin bei dir; alles wird gut. Und plötzlich kann das Kind das glauben, da wächst das Vertrauen und die Gewissheit: Ja, irgendwie, irgendwann – da wird es gut.
Das ist die Kraft der Auferstehung, ihre Botschaft, ihr Kern: Alles wird gut. Die Kraft, die die Auferstehung schon hier entwickeln kann, in diesem Leben; ihr Trost in Leid und Not und Verzweiflung; auch am Grab und darüber hinaus – sie hängt auch davon ab, dass andere Menschen sie uns zeichenhaft vorleben. Die Auferstehung hat viele Gesichter – und du kannst eines davon sein.