Angesichts sinkender Temperaturen fordert die Diakonie Hamburg eine ganztägige Öffnung der Räume des Winternotprogramms. Tagestemperaturen kurz über null Grad und Schneeregen seien für die rund 2.000 obdachlosen Menschen eine Gefahr, teilte das Diakonische Werk am Dienstag mit. Viele Menschen, die auf der Straße leben, seien chronisch krank. Eine einfache Virusinfektion könne dann tödliche Folgen haben. „Als Arzt rate ich bei grippalen Infekten normalerweise dazu, sich auszuruhen, warm zu halten, viel zu schlafen und zu trinken. Nur so lassen sich gefährliche Komplikationen wie Lungen- oder Herzmuskelentzündungen und im schlimmsten Fall ein plötzliches Herzversagen vermeiden“, sagte der Mediziner Hans-Heiner Stöver, der sich ehrenamtlich im Diakonie-Zentrum für Wohnungslose engagiert. Das sei für Obdachlose unter den derzeitigen Bedingungen nicht möglich.
Die meisten obdachlosen Menschen starben im vergangenen Jahr laut Diakonie an Komplikationen grundsätzlich gut behandelbarer Erkrankungen. „Niemand sollte den ganzen Tag draußen verbringen oder auf der Straße schlafen müssen, schon gar nicht im Herbst und Winter“, kritisierte Stöver. In Hamburg müssten obdachlose Menschen ohne amtliche Unwetterwarnung morgens die Notunterkünfte wieder verlassen. Nur in Ausnahmefällen dürften sie tagsüber bleiben. „Das Leben auf der Straße, der tägliche Kampf ums Überleben, Drogen- und Alkoholkonsum, unbehandelte chronische Krankheiten. All dies führt dazu, dass die Menschen in eine gesundheitliche Abwärtsspirale geraten“, sagte der Mediziner.
Seit dem 1. November können obdachlose Menschen das Hamburger Winternotprogramm nutzen. Zum Schutz vor Kälte stehen bis einschließlich März 400 Übernachtungsplätze in der Friesenstraße 22 sowie 300 in der Châu-und-Lân-Straße 72 (ehemals Halskestraße) zur Verfügung, wie die Sozialbehörde Ende Oktober mitgeteilt hatte. Geöffnet seien die Notunterkünfte jeweils von 17 bis 9.30 Uhr. Neben Schlafplätzen gebe es dort Beratung und Betreuung, Waschräume und Waschmaschinen sowie abschließbare Schränke. Weitere Plätze stünden bei mehreren Kirchengemeinden und Hochschulen für das Winternotprogramm bereit, hieß es.