Nur noch wenige Deutsche arbeiten in Schlüsselpositionen im Vatikan. Einer von ihnen hat in einem Interview das kirchliche Klima in Deutschland und im Vatikan verglichen. Über Deutschland macht er sich Sorgen.
Ein unerwartet positives Bild vom aktuellen Klima im Vatikan hat der deutsche Vatikan-Mitarbeiter Marco Schrage gezeichnet. Der seit 16 Monaten im vatikanischen Staatssekretariat beschäftigte Priester aus dem Bistum Osnabrück sagte dem Portal katholisch.de (Mittwoch): “Das ist ein Klima ohne jegliche Allüren in einer großen Ruhe und Ausgeglichenheit.”
Schrage, der wie der Papst im vatikanischen Gästehaus Santa Marta lebt, erklärte, dass Franziskus in den elf Jahren seiner Amtszeit viele Mitarbeiter positiv geprägt habe. “Wenn bei uns in Deutschland in den kirchlichen Institutionen auch nur ein wenig solch ein Geist herrschen würde wie im Staatssekretariat, dann wären wir in Deutschland in der Kirche vielleicht einen Schritt weiter.”
Schrage räumte ein, dass auch im Vatikan die derzeitigen “großen Spannungen, die es in der Kirche gibt” zu spüren seien. Mit Blick auf die Wahrnehmung des Papstes, der in Deutschland manchmal als Bremser von Reformen kritisiert wird, bemerkte Schrage: “In Deutschland schauen immer viele Leute aus ihrer eigenen Perspektive. (…) Es ist aber natürlich nicht hilfreich, wenn große andere Teile, die zur Kirche gehören, nicht im Blick sind. (…) Ich glaube, vielen in Deutschland ist überhaupt nicht bewusst, wie groß das Spektrum zum Konservativen hin jenseits von Franziskus ist.”
Besorgt äußerte sich Schrage über das politische Klima in Deutschland. Parteien sähen einander nicht mehr als politische Konkurrenz, sondern in einer fast schon hasserfüllten Gegenüberstellung.
Die militärische Wahrnehmung des Anderen als Gegner sei eine Denkweise, die sich “auch in unser friedliches Leben geradezu hineinfrisst”. Mit großer Sorge sehe er, dass das jetzt “auch bei uns in der Kirche gilt”.
Die deutschsprachige Abteilung im vatikanischen Staatssekretariat, in der Schrage arbeitet, besteht derzeit aus vier Priestern und zwei Teilzeit-Mitarbeiterinnen. Sie ist unter anderem zuständig für die Korrespondenz mit den deutschsprachigen Ländern sowie für die Analyse der kirchenpolitischen Entwicklungen dort. Ferner ist sie an der Übersetzung von Texten aus dem Vatikan beteiligt.