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Deutsche trinken immer weniger Wein

Schwere Zeiten für den Edlen Tropfen – in Deutschland verstetigt sich ein Rückgang des Weinkonsums. Dafür gibt es gute Gründe, ökonomische wie gesundheitliche. Dabei könnte gerade dem deutschen Wein die Zukunft gehören.

“Der Wein erfreut des Menschen Herz, und die Freudigkeit ist die Mutter aller Tugenden” – nur wenige Dinge haben bei Deutschlands wohl berühmtesten Dichter und Zecher, Johann Wolfgang von Goethe, derartige Begeisterung ausgelöst, wie ein Becher guter Wein. Die Beschäftigung mit der weinseligen Trunkenheit zieht sich wie ein roter Faden durch die Werke des Autors. Wer Goethes Worten folgt, kommt unweigerlich zu dem Schluss, dass ein Glas Wein in allen Lebenslagen helfen kann – und damit praktisch zum täglichen Bedarf zählt.

Doch mit Blick auf das vergangene Jahr zeigt sich ein ernüchterndes Bild. Wie das Deutsche Weininstitut im rheinland-pfälzischen Bodenheim am Mittwoch mitteilte, haben die Deutschen im vergangenen Weinwirtschaftsjahr – von August 2023 bis Juli 2024 – pro Kopf 22,2 Liter Wein getrunken und damit 0,3 Liter weniger als im Vergleichszeitraum. Bei den Schaumweinen betrug der Rückgang 0,2 Liter auf 3,6 Liter. Die Menge des eingekauften Weins sank um vier Prozent und der damit erzielte Umsatz um fünf Prozent.

Es verstetigt sich ein Trend der vergangenen Jahre: Nachdem es in den 2010er Jahren immer wieder leichte Schwankungen im Pro-Kopf-Konsum gab, sinkt er seit 2021 recht kontinuierlich. Gründe dafür sieht die Geschäftsführerin des Weininstituts, Monika Reule, insbesondere im demografischen Wandel, in veränderten Konsumgewohnheiten sowie in einem konjunkturbedingt kostenbewussteren Einkaufsverhalten. Weine aus Deutschland waren demnach mit einem Minus von fünf Prozent im Verkauf und sechs Prozent im Umsatz etwas stärker von dieser Entwicklung betroffen.

Der Konsumrückgang betraf in Deutschland zuletzt praktisch alle alkoholischen Getränke, was auch an einer stärkeren Aufklärung über die gesundheitlichen Folgen von Alkoholismus zurückzuführen sein kann. Anders als etwa in den romanischen Ländern, hat es der Wein hier nie auf den Spitzenplatz der Alkoholika geschafft. Die Deutschen sind seit jeher eine Biernation, wovon auch die bundesweit knapp 1.500 kleinen und großen Brauereien zeugen. Auch im Konsum bestehen deutliche Unterschiede. Bier wird hierzulande pro Kopf immer noch annähernd 90 Liter im Jahr getrunken, wobei auch hier die Menge über die Jahre stetig eher ab- als zunimmt.

Gegenüber dem Bier als “Volksgetränk” bleibt dem Wein weiterhin etwas Elitäres anhaften. Weintrinker und -kenner sind nur die oberen Zehntausend der Gesellschaft – oder solche, die sich über den Konsum und die Nutzung von Fachvokabular gerne dazuzählen möchten. Überdies hat der Wein schon historisch einen schwierigen Stand als Mitbringsel ausländischer Besetzer: Waren es in der Antike die Römer, die das Getränk ins Rheinland brachten, waren es in der Neuzeit die “Erbfeinde” aus Frankreich, die ihren Rebsaft mit sich mitführten.

Zudem mangelt es dem deutschen Wein oft auch am nötigen Selbstvertrauen. Symbolisch steht dafür etwa die zweite Strophe des Deutschlandliedes, in der explizit der deutsche Wein gepriesen wird – neben Frauen, Gesang und Treue. Zur Nationalhymne hat es bekanntermaßen nur die dritte Strophe gebracht. Praktisch zeigt sich das aber auch auf der internationalen Bühne: So liegen die Handelspreise für die erstklassigen deutschen Produkte noch deutlich unter dem, was entsprechende Weine aus Frankreich einbringen.

Dabei könnte dem Wein hierzulande eine rosige Zukunft blühen – auch wenn der Grund dafür eher besorgniserregend ist. Durch die Erderwärmung in Folge des Klimawandels beginnt die Vegetationsperiode inzwischen deutlich früher, die Trauben sind dann teilweise schon im September reif und nicht wie früher erst Mitte bis Ende Oktober. Die Winzer können sie noch länger an den Rebstöcken reifen lassen, wodurch die Beeren qualitativ besser werden.

Experten gehen davon aus, dass im Süden der Republik der Anbau von Rotweinsorten wie Merlot oder Pinot perspektivisch zunehmen wird; mit hochklassigen Weinen, die auch ihren Geschwistern aus Frankreich und Italien Konkurrenz machen. Der Weißweinanbau hingegen würde sich noch deutlich weiter nach Norden verlagern. Mit höheren Temperaturen steigt allerdings auch das Risiko für andere Wetterextreme wie lange Dürren und sintflutartige Regenfälle. Beides gefährdet die Reben und kann zu schlechterer Weinqualität oder sogar großflächigen Ernteausfällen führen.

Wie erfolgreich sich die Winzer in den kommenden Jahren an diese Voraussetzungen anpassen können, wird deshalb wohl entscheidend für die weitere Entwicklung des deutschen Weines sein. Eine Ausweitung des Anbaugebiets könnte dafür sorgen, den Weinkonsum zu fördern. Das wird allerdings nur dann der Fall sein, wenn der Preis, aber auch Qualität der Ernte mithalten können. Oder um es mit Weinfreund Goethe zu sagen: “Das Leben ist viel zu kurz, um schlechten Wein zu trinken.”