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Deutsche Lutheraner in der Ukraine in tiefer Krise

“Die Deutsche Evangelisch-Lutherische Kirche in der Ukraine befindet sich in einer tiefen Krise.” Das sagte der ukrainische Pfarrer Olexander Gross (Odessa) am Montag vor der Generalsynode der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands. “Seit 2014 ist diese Krise Dauerzustand.” Die Minderheitenkirche in der Ukraine hat heute 24 Gemeinden mit insgesamt rund 1.000 Mitgliedern.

2014 sei in der Kirche ein neuer Bischof gewählt worden. Dadurch “bekam ein Mensch mit Komplexen die Macht, sich frei zu entfalten und sich durch Despotismus selbst zu bereichern”, sagte Gross. “Infolgedessen verlor die Kirche einen Teil ihrer Partner, Pastoren, ihres Vermögens, ihrer Gemeinden und was am schlimmsten ist: viele Menschen.” Erst 2021 habe man dafür sorgen können, dass wieder Gerechtigkeit herrsche. “Aber viele Menschen waren für immer gegangen.”

Gleichzeitig habe die Kirche durch die russische Invasion auf der Krim und im Donbass sowie ab 2022 in den Regionen Saporischschja und Cherson Mitglieder verloren. “Die Invasion vor anderthalb Jahren hat uns mindestens 60 Prozent aller Gemeindemitglieder geraubt”, sagte Gross. “Einige unserer Gemeinden sind praktisch zu kleinen Gruppen geworden, andere existieren gar nicht mehr.”

2013 sei er, Gross, Leiter einer wachsenden Bibelschule mit Schülern aus verschiedenen Ländern gewesen. “Ich war Leiter eines großen Lagers mit Angeboten für Kinder, Teenager, Jugendliche und Familien: Mehr als 40 Mitarbeiter arbeiteten nicht nur im Lager, sondern engagierten sich auch aktiv in ihren Gemeinden”, sagte Gross. “Nichts davon ist mehr: Fast alle haben das Land innerhalb von 9 Jahren verlassen.”

Heute habe die Kirche eine ukrainischsprachige Liturgie entwickelt und gehe stärker als bisher auf die Menschen im Land zu. “Eine Krise ist eine Chance, neue Türen zu öffnen”, sagte Gross. “Wir gehen nicht weg.” Heute konzentriere sich das Leben der Kirche auf soziale Hilfe und Unterstützung für die Bewohner des Landes. “Mehr denn je haben wir alle Chancen, keine kulturfremde deutsche Kirche zu sein, sondern eine Kirche für alle Menschen zu werden.”