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Der schwere Weg ins Pfarramt: Die ersten Pastorinnen

Ingeborg-Charlotte Neubeck ist eine der ersten Frauen, die Pastorinnen wurden. Doch selbst im Pfarramt war es mit den Schikanen nicht vorbei.

Ingeborg-Charlotte Neubeck gehört zu den ersten sechs  Frauen, die in der Landeskirche in Braunschweig ordiniert wurden.
Ingeborg-Charlotte Neubeck gehört zu den ersten sechs Frauen, die in der Landeskirche in Braunschweig ordiniert wurden.epd bild/privat

Sie wusste schon früh, dass sie Gemeindepastorin werden wollte. „Vielleicht lag es daran, dass mein Großvater Gemeindepastor war“, überlegt Ingeborg-Charlotte Neubeck. Dass sie zeitlebens für dieses Ziel und die damit verbundene Anerkennung kämpfen würde, davon bekam sie schon als Mädchen eine Ahnung. Denn nicht nur ihre Familie sei gegen den Berufswunsch gewesen, sagt die heute 89-Jährige. Auch die gesellschaftliche Vorstellung von der Rolle der Frau habe dagegen gestanden. „Es galt als anmaßend, wenn Frauen Pastorinnen werden wollten.“

Allen Hindernissen zum Trotz hat die junge Abiturientin den Kampf aufgenommen, der in der Landeskirche in Braunschweig begann. Sie studierte Theologie, besuchte das Predigerseminar und begann das Vikariat. Immer wieder habe sie Herabwürdigungen ertragen müssen, erzählt Neubeck. „Ich durfte keine Sakristei betreten und in der gesamten Ausbildung nur eine Predigt halten.“ Denn Frauen hätten Anfang der 60 Jahre nicht öffentlich predigen dürfen, erklärt die Theologin. „Dahinter stand die biblische Vorstellung, dass die Frau dem Mann Untertan ist. Männer sollten sich nicht beleidigt fühlen.“

Die erste verheiratete Frau mit Ordination

Auch andere Regelungen beschränkten den beruflichen Werdegang der Frauen, die lange nur als so genannte Pfarrvikarinnen in der Kirche tätig waren. Lange durften sie nicht heiraten. Und wenn sie den Bund der Ehe doch eingingen, wurde ihr Dienstverhältnis beendet.

Erst in den 60er Jahren setzte ein gesellschaftliches Umdenken ein, von dem Neubeck profitierte. „Die braunschweigische Synode beschloss nach langen Diskussionen, dass Frauen ordiniert werden dürfen.“ Neubeck, die noch vor dem Ende ihres Vikariats geheiratet hatte und jetzt in der Krankenhausseelsorge arbeitete, gehörte 1968 zu den ersten sechs Frauen, die ordiniert wurden. „Das war eine Revolution.“ Neubeck, die von jetzt ab öffentlich predigen und Abendmahl halten durfte, wurde als erste bereits verheiratete Frau ordiniert. „Das widersprach dem damaligen Kirchenrecht, wie es bis in die 70er Jahre gültig war.“

Doch einmal im Amt, waren die Schwierigkeiten längst nicht überwunden. „Die Kolleginnen mussten sich gegen ihre Amtsbrüder durchsetzen“, erklärt die hannoversche Landesfrauenpastorin Susanne Paul. Auch unter den Gemeindemitgliedern sei die Skepsis groß gewesen. „Man wollte nicht von einer Frau beerdigt werden. Das führte zu teilweise schwierigen Arbeitsbedingungen.“

Von der Kirche bekämpft, von Kollegen angefeindet

Schikane musste sie auch selbst ertragen. „Ich wurde noch 1992 gefragt, wie ich mich neben meinem Beruf um meine beiden Kinder kümmern will“, erzählt Paul. „Diese Vorurteile waren tief verwurzelt.“ Selbst Frauen seien davon nicht frei gewesen.

Um Veränderungen herbeizuführen, hätten sich Theologinnen schon Anfang des vergangenen Jahrhunderts zum Theologinnenkonvent zusammengeschlossen. „Sie wollten in der Kirche nicht auf Kinderarbeit und Diakonie reduziert werden“, erklärt Paul. Ein liberalere Theologie, die Entstehung vieler neuer Gemeinden und Pfarrstellen habe die Gleichberechtigung jedoch vorangebracht.

Neubeck, die bald nach ihrer Ordination in eine Dorfgemeinde im Kirchenkreis Wolfsburg und später in eine Gemeinde in Hannover wechselte, blickt wegen vieler Schikanen mit gemischten Gefühlen auf ihre berufliche Zeit zurück. Zwar sei sie Gemeindepastorin geworden, wie sie es sich immer gewünscht habe, und habe erfolgreich mit vielen Menschen zusammengearbeitet. Aber mit der Kirche geht sie hart ins Gericht: Denn die Kirche, klagt Neubeck, habe die Berufung der Frauen nicht ernstgenommen, sondern sie bekämpft. „Statt der Botschaft standen die Egos der Männer im Vordergrund. Und die haben nicht verstanden, dass die Kirche viele verschiedene Arbeiter im Weinberg braucht.“

Stichwort Theologinnenkonvent: Der Konvent evangelischer Theologinnen wird im Juni 100 Jahre alt. Elf Theologiestudentinnen hatten den Zusammenschluss einst gegründet, um die Berufsperspektiven von Theologinnen in der Kirche, aber auch ihren gegenseitigen Austausch und ihren Einfluss auf die kirchliche Gesetzgebung zu stärken. Damals durften Frauen noch keine Pastorinnen werden. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Ordination nach und nach in allen Landeskirchen eingeführt. Als letzte Landeskirche folgte Schaumburg-Lippe 1991. Bis heute finden sich in kirchlichen Leitungsebenen noch immer mehr Männer als Frauen. Die Feier findet vom 22. bis 25. Juni am einstigen Gründungsort in Marburg statt.