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“Der Schmerz ist groß”

Opfer sexuellen Missbrauchs fordern von der sächsischen Landeskirche Schmerzensgeld. „Es ist uns ernst“, sagte Matthias Oberst, der zum Kreis der Betroffenen gehört, dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Dienstag in Dresden. Sie hätten ein Leben lang unter den Folgen des Missbrauchs durch den 2013 mit 91 Jahren verstorbenen Diakon Kurt Ströer der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens gelitten.

„Der Schmerz ist groß“, sagte Oberst. Jeder der Betroffenen habe seinen „Leidenslebenslauf“. Manche seien als Jugendliche über Jahre hinweg von dem Diakon missbraucht worden, andere Monate lang oder auch nur an einem Tag. Betroffene wollen auf der Landessynode am Samstag in Dresden öffentlich sprechen.

Laut Oberst gehören etwa eine Handvoll Männer zu der Betroffenengruppe. Zudem gebe es eine weitere Gruppe zum Fall Ströer, die sich aber der Schmerzensgeldforderung nicht angeschlossen habe. Außerdem wurden in der sächsischen Landeskirche Missbrauchsopfer anderer Täter erfasst.

„Es gibt noch viele Menschen, die uns nicht glauben“, sagte Oberst. Allein im Fall Ströer seien es jedoch 36 Zeugen mit Missbrauchserfahrungen. Die Gruppe der Betroffenen um Oberst verbinden mit dem Geld die Hoffnung, dass ihre Schmerzen gelindert werden.

Zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs hatte die Landeskirche 2020 eine unabhängige Kommission und eine Meldestelle eingerichtet. Bisher sind etwa 50 Fälle erfasst. Den meisten der anerkannten Betroffenen hat die Landeskirche bisher jeweils 10.000 Euro gezahlt.

Die Synode erwartet auf ihrer Tagung zum Thema Missbauch auch einen Bericht zur theologischen Aufarbeitung in der sächsischen Landeskirche. Der Betroffene Ralf Werner Frölich sieht das skeptisch: „Wer es braucht, soll das gerne tun, ich brauche die theologische Aufarbeitung nicht“, sagte er dem epd.

Frölich hatte nach eigenen Angaben Mitte der 80er Jahre eine Ausbildung zum Diakon abgebrochen, ohne dass ihm die Gründe dafür bewusst waren. Heute wisse er, warum, betonte er: „Ich hatte ein völlig krudes Bild des Glaubens, das Ströer uns vermittelt hat.“ Über seine Missbrauchserfahrung sagte der inzwischen 60-jährige Krankenpfleger: „Ich habe immer gedacht, ich bin allein.“

Oberst sagte dazu: „In den Predigten wurden wir gehirngewaschen, uns wurden von Ströer krude Theorien erzählt.“ Dessen Opfer seien darin gefangen gewesen. „Wir haben diesem Mann alles geglaubt“, sagte Oberst, der heute Schauspieler ist. Oft habe sich der Diakon Jugendliche gesucht, die familiäre Probleme hatten.

Ströer hatte in den 60er und 70er Jahren junge Menschen missbraucht und die Taten kurz vor seinem Tod auch selbst eingeräumt. Öffentlich bekannt wurde der Missbrauch aber erst 2021. Zuvor hatte die Diakonengemeinschaft Moritzburg den Fall zwar erörtert, aber nicht außerhalb der Kirche publiziert.

Sachsens evangelische Landessynode kommt ab Freitag in Dresden zu ihrer Herbsttagung zusammen. Auf der Tagesordnung stehen auch die Beratungen zum Haushaltsplan 2024 sowie ein Bericht von Sachsens Landesbischof Tobias Bilz. Die Synode tagt bis kommenden Montag.