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Der Presseverband Westfalen-Lippe zieht um

Es ist nicht nur ein räumlicher Neustart für den Evangelischen Presseverband: Am neuen Standort in der Bielefelder Buddestraße rücken die Abteilungen näher zusammen – eine Chance und Herausforderung.

In den neuen Redaktionsräumen werden die Umzugskartons ausgepackt und alles eingerichtet
In den neuen Redaktionsräumen werden die Umzugskartons ausgepackt und alles eingerichtetSusanne Störmer

Selbst sie erlebte in den letzten Tagen im Medienhaus in der Cansteinstraße noch Überraschungen: Antje Lehmann hat 42 Jahre im Haus gearbeitet und hat damit mehr Dienstjahre im Medienhaus des Evangelischen Presseverbandes als alle ihre Kolleginnen und Kollegen, die noch im Dienst sind. Und doch gab es Winkel in dem fünfstöckigen Gebäude, die die Vertriebsmitarbeiterin nun das erste Mal gesehen hat: „In einem verschlossenen Raum im Keller habe ich die Jahresbände vom Vorläufer der UK von 1905 gesehen, das war spannend. Es ist faszinierend, nach so langer Zeit doch noch etwas Neues zu entdecken.“

Der Evangelische Presseverband gibt nach mehr als 50 Jahren sein Medienhaus, seinen Standort in der Cansteinstraße in Bielefeld, auf und zieht in neue Räumlichkeiten in der Buddestraße. In den vergangenen Wochen wurde geräumt, es wurden Kisten gepackt, geputzt, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben ihre Sachen sortiert, sich von manchem verabschiedet und zu guter Letzt auch von ihrem Arbeitsplatz.

Damals modern, heute zu groß

1972 wurde das Medienhaus gebaut. Ein damals modernes fünfstöckiges Bürogebäude, 2800 Quadratmeter Fläche mit Tiefgarage. Ein riesiges verwinkeltes Gebäude. Nicht nur der Presseverband hatte hier seinen Sitz, auch das Posaunenwerk, der epd Bielefeld, früher die Filmzentrale, Büchereifachstelle, Öffentlichkeitsarbeit. „Heute sind wir einfach viel weniger Mitarbeiter, haben weniger Abteilungen am Standort. Das Haus war für uns viel zu groß, und das, obwohl wir schon einiges vermietet haben“, erklärt Bernd Becker, Geschäftsführer und Herausgeber von Unsere Kirche. Die Fremdvermietung wurde ein immer größeres Thema, nach Corona blieben viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Homeoffice, dazu noch die steigenden Energiepreise – „es war an der Zeit, dass wir uns verkleinern“, so Bernd Becker.

Antje Lehmann entdeckte alte Schätze in ihr unbekannten Räumen
Antje Lehmann entdeckte alte Schätze in ihr unbekannten RäumenSusanne Störmer

500 Quadratmeter hat der Verband künftig zur Verfügung, gemietet, nicht gekauft. „Wir haben die neuen Räume innerhalb weniger Wochen gefunden, sie passen sehr gut zu unseren Vorstellungen“, sagt Bernd Becker. Der Verband zieht in eine alte Kleiderfabrik, die über die Jahre modernisiert wurde. Ein Stück Industriekultur mit großen Fenstern und Backstein, der unter dem Putz an den Wänden hervorguckt. „Mir war wichtig, dass wir Räume mit einer gewissen Atmosphäre finden, einem bestimmten Flair. Ich glaube, das haben wir“, betont der Herausgeber. Für ihn ist der Umzug mehr ein Aufbruch als ein Abbruch. „Damit sind wir für die nächsten Jahre gut aufgestellt“, sagt Becker.

Alle Tür an Tür

Ihn freut besonders, dass künftig alle Abteilungen auf einer Etage arbeiten und viel enger zusammenrücken. In der Cansteinstraße saß die Redaktion im vierten Stock, der Vertrieb im ersten, die EDV im zweiten – nun sitzen alle Tür an Tür. Das einzige, das Bernd Becker vermissen wird, ist die schöne Terrasse im Grünen, auf der man sich mal zurückziehen konnte. Dafür soll es nun aber im Eingangsbereich eine gemütliche Ecke geben, wo man sich spontan auf einen Plausch und zum Ideentausch treffen kann, davon träumt Bernd Becker schon lange.

In diesem Gebäude finden sich die neuen Redaktionsräume
In diesem Gebäude finden sich die neuen RedaktionsräumeBernd Becker

Den Blick ins Grüne wird auch UK-Chefredakteur Gerd-Matthias Hoeffchen vermissen. Genauer: den Blick auf den Teutoburger Wald. „Als ich zum ersten Mal im Herbst aus der vierten Etage aus dem Fenster geguckt habe, hat mich das total begeistert“, sagt Gerd-Matthias Hoeffchen. 27 Jahre ist er im Verband. Vom Praktikanten bis zum Chefredakteur hat er seine Zeit im Medienhaus in der Cansteinstraße erlebt. Doch eine richtige emotionale Verbindung zum Gebäude ist dabei nicht entstanden.

Große Veränderungen in den Arbeitsabläufen

Das Medienhaus passte in die Zeit seiner Entstehung. Die Verlags- und Zeitungsbranche haben sich seither stark verändert. Vor 50 Jahren war die Zeitungsproduktion noch sehr viel komplexer. Fahnen wurden geschnitten, geklebt, in Blei umgesetzt. Es gab viel mehr Arbeitsabläufe und Personalstellen. Es gab große Papier­archive, Redaktionsbüros glichen Gelehrtenstuben. Heute finden Recherchen online statt, Archive sind digitalisiert. Ein Laptop und eine stabile Internetverbindung reichen zum Arbeiten aus. Es gibt deutschlandweite Zusammenarbeit, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind von überall aus im Einsatz. Das Medienhaus ist nicht mehr zeitgemäß, ein Abschied an der Zeit.

Das alte Medienhaus aus den 1970er Jahren
Das alte Medienhaus aus den 1970er JahrenAnke von Legat

Die jahrelange gute Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen, seine Wahl zum Chefredakteur, Fußballtraining in der Tiefgarage – auch wenn er gute und amüsante Erinnerungen an das Medienhaus hat, fällt Gerd-Matthias Hoeffchen der Abschied nicht schwer. Im Gegenteil: „Wir befreien uns von Dingen, die überflüssig geworden sind. Wir können uns ganz auf den Kern unserer Arbeit konzentrieren. Mich beflügelt es geradezu“, so Hoeffchen. Wermutstropfen seien dabei, aber insgesamt sei das eine richtig gute Sache, ein Signal und in gewisser Weise auch ein Neustart nach Corona. „Für mich war UK immer genau der Platz, an dem ich sein wollte – in welchem Gebäude spielt da keine Rolle.“

Veränderungen mitgestalten

So sieht es Antje Lehmann ebenfalls. Das neue Haus bietet genügend Raum für das, was drinnen passiert. Auch wenn der neue Standort ihr einen deutlich weiteren Arbeitsweg beschert. „Statt fünf Minuten brauche ich nun 40 Minuten mit den Öffentlichen. Das finde ich aber nicht schlimm. Immerhin habe ich viele Jahre vom Standort profitiert. Und wer weiß, was ich so alles erleben werde, wenn ich künftig mit der Straßenbahn unterwegs bin.“ Sich immer wieder auf etwas Neues einzulassen sei wichtig. Veränderungen müsse man mitmachen, mitgestalten. „Und die Erlebnisse haben ohnehin alle mit Menschen zu tun“, so Antje Lehman, „die hängen nicht an Gebäuden“.

Die neue Anschrift des Evangelischen Presseverbandes lautet Buddestraße 15, 33602 Bielefeld. Die Redaktion erreichen Sie wie gewohnt per E-Mail an redaktion@unserekirche.de.