Wochenlang sah es so aus, als würde der Senegal wegen des Streits über den Wahltermin auf eine schwere politische Krise zusteuern. Am Montagabend war klar: Das westafrikanische Land steht vor einem Machtwechsel.
Der Oppositionskandidat Bassirou Diomaye Faye (44) geht aller Wahrscheinlichkeit nach als Sieger aus der Wahl vom Sonntag hervor. Glückwünsche erreichten ihn bereits vom scheidenden Präsidenten Macky Sall – und vom Staatschef der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich, Emmanuel Macron.
Aufgewachsen ist Faye in Ndiaganiao, einem kleinen Ort südöstlich der Hauptstadt Dakar, etwa 30 Kilometer vom Meer. Sein Vater war ein politischer Mensch, er engagierte sich mit Herzblut in der Sozialistischen Partei. Der Einsatz für bessere Arbeitsbedingungen legte für Faye den Grundstein für seinen eigenen Einstieg in die Politik. Der studierte Jurist wurde nach seinem Diplom an der renommierten Nationalen Verwaltungsakademie angenommen.
Im Fitnessstudio lernte er Ousmane Sonko kennen, fünf Jahre älter und mit charismatischer Ausstrahlung. Sie werden enge Freunde, einem seiner Söhne gibt Faye den Namen Ousmane. Beide engagierten sich in der Gewerkschaft. Als Sonko 2014 in einem Vorlesungssaal der Universität in Dakar seine Partei „Afrikanische Patrioten Senegals für Arbeit, Ethik und Brüderlichkeit“ (kurz: Pastef) gründete, war Faye mit dabei. Er wurde Mitglied und wenige Jahre später war er einer der klugen und strategischen Köpfe hinter dem Wahlprogramm für Sonkos Kandidatur als Präsident 2019. Aus dem Stand erreichten sie 15 Prozent der Stimmen. 2022 wurde Faye Generalsekretär von Pastef, 2023 wurde die Partei vom Innenminister aufgelöst.
Seit 2007 arbeitete Faye als Steuerbeamter, zuletzt war er Leiter des Büros für Rechtsstreitigkeiten in der Direktion für Gesetzgebung und Zusammenarbeit der Steuerbehörde. Als er am 14. April 2023 sein Büro verlassen wollte, wurde er verhaftet. Ironischerweise wegen eines Posts auf Facebook über Versagen der Justiz. 335 Tage war er in Untersuchungshaft, ohne Urteil, bis er vor der Wahl im Rahmen eines Amnestiegesetzes für politische Gefangene freigelassen wurde. Am gleichen Tag wie Sonko, der ebenfalls seit Monaten im Gefängnis war. Seitdem haben die beiden Tausende bei Wahlkampfveranstaltungen im ganzen Land mobilisiert.
Faye ist ein Denker, ein Ideologe, ein Stratege. Inspiriert sind seine Gedanken und seine Politik von Cheikh Ahmadou Bamba, dem Gründer der senegalesischen muslimischen Tradition der Muriden, vom Philosophen Baruch de Spinoza, der im 17. Jahrhundert lebte, und vom zeitgenössischen senegalesischen Autor Ameth Guissé.
Als „Messias der Jugend“ bezeichnete ihn das Nachrichtenportal „DakarActu“ am Tag nach der Wahl. Faye ist der jüngste demokratisch gewählte Präsident in Westafrika – jünger sind zum Teil nur die Generäle, die sich zum Beispiel in Burkina Faso und Mali an die Macht geputscht haben. Das Durchschnittsalter der 17 Millionen Senegalesinnen und Senegalesen liegt bei 18 Jahren.
Faye und Sonko sind sich in vielem einig. Unter anderem finden sie: Frankreich hat als ehemalige Kolonialmacht zu viel Einfluss im Senegal – den wollen sie reduzieren. Unter anderem mit einer Reform der Währung, deren Reserven bis heute zum Teil in Paris liegen. Faye hat in seinem Programm versprochen, die Macht des Präsidenten zu reduzieren und das Amt des Vizepräsidenten wieder einführen – aller Wahrscheinlichkeit besetzt mit Ousmane Sonko.