Mit dem Maler Günther Uecker verbindet man vor allem Nagelbilder, doch der vielseitige Künstler hat auch ein großes Gespür für das Meer. Am Donnerstag wird er 95 Jahre alt.
Er gehört zu den bekanntesten deutschen Gegenwartskünstlern: der Maler Günther Uecker, der am 13. März seinen 95. Geburtstag feiert. Vor allem dreidimensionale Nagelbilder verbindet man mit ihm. Bereits in den fünfziger Jahren schuf Uecker diese charakteristischen Werke, die auf dem internationalen Kunstmarkt längst ein Vermögen Wert sind. Dabei ist die Idee dahinter sehr einfach: Es kommt auf den Perspektivwechsel und die Dynamik an. Ändert sich der Standort des Betrachters, ändert sich das Bild, die Zone von Licht und Schatten. Das Zusammenspiel von Sehen und Gesehenem.
Ein Thema, das viel mit Ueckers Leben zu tun hat. Denn der 1930 in Wendorf bei Stralsund geborene Künstler hat die Welt durch die Jahrzehnte seines Lebens aus völlig verschiedenen Blickrichtungen zu sehen gelernt – politisch und geografisch.
Seine Kindheit und Jugend verbrachte er auf der Ostsee-Halbinsel Wustrow. Nach dem Krieg lebte er in Groß Schwansee, wo sein Vater, der eigentlich Ingenieur war, als sozialistischer Neubauer arbeitete. Günther Ueckers Maltalent fiel früh auf – auch der Partei, die ihm eine besondere Begabtenförderung zukommen ließ. Seine Ausbildung als Anstreicher war dafür kein Hinderungsgrund. Im Gegenteil: gerade weil er durch seine Vita in den Augen der SED-Regierung nicht bürgerlich kontaminiert war, galt er unter den kommunistischen Headhuntern als vielversprechendes, ideologisch formbares Talent. 1949 ging Uecker für ein Malereistudium nach Wismar, bevor er auf die Kunsthochschule in Berlin-Weißensee wechselte.
Dann machte sich Uecker unter vielen Entbehrungen auf die Reise nach Düsseldorf. Er wollte unbedingt bei dem Maler Otto Pankok (1893-1966) studieren. Besonders Pankoks Holzschnitt “Christus zerbricht das Gewehr” (1950) hatte ihn angesprochen. Von 1955 bis 1957 studierte Uecker an der Kunstakademie Düsseldorf, an der er später – von 1974 bis 1995 – als Professor selbst lehrte. Da war er längst ein Name, ein international angesehener Malerstar, der vor allem als Mitglied der Künstlergruppe ZERO in den 1960er Jahren gelernt hatte, filmische Elemente in seine Arbeit zu integrieren und gelegentlich mit seinen Arbeiten auch zu provozieren. Doch das ist Geschichte.
Das Unsichtbare, Transzendente nimmt im Spätwerk des Günther Uecker einen immer größeren Raum ein. Gut zu erleben etwa in dem von ihm karg ausgestalteten Andachtsraum des Reichstags in Berlin: ein Altar aus sandgestrahltem Granit, Stühle, Bänke und sieben hohe Holzbildtafeln, welche durch ihre Schrägheit die Unbehaustheit des Menschen vor Augen führen sollen. Dass die Nägel auf den Tafeln durch ihre dynamische Gestaltung Assoziationen an den gekreuzigten und auferstandenen Christus wecken können, ist kein Zufall, sondern große Kunst. Interessante spirituelle Effekte erzielte Uecker 2024 im Schweriner Dom mit dem “Lichtbogen”-Projekt: Vier Kirchenfenster, jeweils zehn bis zwölf Meter hoch, blau schimmernd wie der Himmel oder das Meer, das Uecker von früh auf fasziniert hat.
Für Aufsehen sorgte Uecker, der neben anderen Auszeichnungen mit dem Bundesverdienstkreuz (1985) und dem NRW-Staatspreis (2015) geehrt wurde, mit seiner Rückkehr auf die Insel Wustrow. Von 2002 bis 2008 lebte er dort in einer Hütte; dann machte ihm das Landratsamt einen Strich durch die schöpferische Rechnung. Der Naturschutz ließ sich laut Behörde nicht mit Ueckers künstlerischer Arbeit vereinbaren.