War Ludwig I. Bayerns größter König? Alles eine Frage der Perspektive und worauf man den Blick richte, sagt Richard Loibl, der Direktor des Hauses der bayerischen Geschichte, bei einer Preview zur gleichnamigen Ausstellung. Zu welcher der Besucher und die Besucherin tendieren, könnten sie nach Sichtung der insgesamt 125 Exponate am besten selbst entscheiden. Am 10. Mai wird die Schau im Regensburger Haus eröffnet. Darunter sind auch zahlreiche Animationen. Unter anderem wird im ersten der sieben Abteilungen ein Porträt des Königs in seinen verschiedenen Lebensaltern gezeigt.
Wie viele Monarchen vor und nach ihm war Ludwig I. ein Fall, über den sich gut streiten lässt, erläutert Loibl. Der beliebteste Wittelsbacher auf dem Thron war er schon einmal nicht: Das war sein Enkel Ludwig II. (1845-1886), mit seinen Märchenschlössern und seinem legendären Abgang im Starnberger See. Doch bei Ludwig I. finde man „viele Erfolgs- neben desolaten Verlustgeschichten“, sagt Loibl.
Zweifelsfrei sei Ludwig I. (1786-1868) ein hochgebildeter Förderer von Kunst und Architektur gewesen, er sprach mehrere Sprachen. Seine besondere Neigung aber galt dem Altgriechischen und der Antike. Die Münchner könnten ihn deshalb gewiss als großen König ansehen: Er baute die Stadt zu einer Kunststadt aus, zu einem „zweiten Athen“, und machte sie zur Landeshauptstadt. Er bescherte Bayern wegen seiner Griechenland-Zuneigung mit einem Erlass sogar das griechische „y“ im Namen. Bis 1825 hieß es noch „Baiern“, so wie der traditionsbewusste Dialekt heute noch „bairisch“ genannt wird.
Zugleich werfen die Ausstellungsmacher dem Wittelsbacher vor, dass er „Chancen verpasst“ habe und bei bestimmten Themen „grandios gescheitert“ sei. Museumsdirektor Loibl macht es daran fest, wie er „den Osten Bayerns vernachlässigt“ und viele Kräfte von dort abgezogen habe, wie zum Beispiel die Universität Landshut. So sei er auch in seiner Verkehrspolitik „unwahrscheinlich verkopft“ gewesen. Ludwig I. setzte auf den Ludwig-Donau-Main-Kanal – wider den Rat der Fachleute. Denn die 170 Kilometer sollten mit 100 Schleusen ausgestattet werden, „viel zu langsam“ für eine moderne Entwicklung. Die Züge ließ er lediglich von Süden nach Norden und im Westen rollen. Im Osten herrschte gähnende Leere.
Das Kanal-Projekt scheiterte bekanntermaßen – mit der Folge, dass die Eisenbahnerschließung in Ostbayern aufgehalten wurde. „Damit hat er die Region und ihre Industrialisierung bei Glas und Granit um Jahre zurückgeworfen“, sagt Loibl. Das sei eben die „andere Perspektive“, die des „abgehobenen Herrschers“, der sich mehr für den Norden und seine romantischen Ideen vom „Teutschtum“ interessierte. Aus dem Osten Bayerns machte er einen „Geschichtspark“ mit dem Ruhmestempel Walhalla, der Befreiungshalle in Kelheim und den beiden Domtürmen in Regensburg.
„Er ist ein König mit zwei Gesichtern“, erläutert Projektleiter Rainhard Riepertinger, der seine elfte und letzte Landesausstellung vor dem Ruhestand kuratiert. Der Wittelsbacher hat seiner Ansicht nach „viel bewegt, in anderen Punkten wieder nicht und war durchaus rückwärtsgewandt“. Fatal war das Ende seiner Regierungszeit (1825-1848), als er an öffentlichem Ansehen in der Bevölkerung verlor. Das sei auch der Grund für seinen Rücktritt 1848 gewesen, aber nicht der einzige, sagt Riepertinger. Dann habe er sich auch noch durch seine kostspielige Liebesaffäre mit der aus Irland stammenden Tänzerin Lola Montez lächerlich gemacht. „Lola bringt das Fass nur zum Überlaufen.“
Bei anderen Themen wiederum wie den Wieder- und Neubegründungen von insgesamt 130 Klöstern habe er „sehr, sehr viel bewegt“, sagt Loibl. Er übernahm die Regentschaft in einer Kriegs- und Reform-Zeit von seinem Vater Max I. Josef und dessen Staatsmann Montgelas. Deren Säkularisation sei ein „totaler Kulturbruch, eine Disruption“ gewesen, nach der man festgestellt habe, dass in den Klöstern „nicht nur gebetet wurde, sondern man sich auch um Bildung und Sozialfürsorge gekümmert hat“. Diese wirtschaftlichen Mittelpunkte fürs Land habe Ludwig wieder gestärkt.
Ludwig I. sagte einmal, er habe Bayern regiert „wie ein Beamter eines Freistaats“. Damit hat er laut Loibl auch den Anfang vom Ende der Monarchie besiegelt. „Als König muss er die großen Richtungen weisen, die Konzeptionen zusammenschnüren und sich nicht um die Details wie die Farben der Eisenbahnwaggons kümmern.“
Ob Ludwig I. zu den großen bayerischen Königen gehört? Die Bewegung einer deutschen Einigung und die Frage der politischen Mitbestimmung habe er völlig verkannt, analysiert der Museumsdirektor. „Statt sich an die Spitze der bürgerlichen Freiheitsbewegung zu setzen und für verfassungsmäßig garantierte Rechte einzutreten, agierte er autokratisch und schickte tausende Soldaten, um die Bewegung niederzuschlagen.“
Auch das könne man aus der Ausstellung lernen: Autokratie sei nie gut, es brauche die demokratischen Möglichkeiten des Ausgleichs, betont Loibl und legt mit Blick auf die Gegenwart auch ein Bekenntnis zur Demokratie ab. (1537/08.05.2025)