Am Ewigkeitssonntag gedenken wir unserer verstorbenen Angehörigen. Familien decken die Gräber mit Tannenzweigen ein. Der Friedhof gehört einen kurzen Moment zum Alltag. Doch er ist ein Ort voller Traditionen und Geschichte(n), die über das Private hinausgehen.
In Jühnsdorf im Kirchenkreis Zossen-Fläming, südlich von Berlin, hat sich 2022 ein Verein gegründet, der Kirche, Alltag und Kultur zusammenführen und das Gotteshaus aus dem 14.Jahrhundert zum Mittelpunkt des Dorfes machen will. Neben der Kirche sieht man Reste des alten Friedhofs, Grabstellen zweier Familien, die den Ort und die Region prägten.
Fund eines alten Grabkreuzes beim Aufräumen in der Kirche
Unter der Kirchentreppe lag – unbeachtet und wer weiß wie lange – ein Grabkreuz von Oskar Wilhelm, geboren zu Jühnsdorf am 14. Mai 1845, zwei Jahre später dort auch gestorben. Der Junge war ein Sohn von Leo von dem Knesebeck (1808–1883), der 1851 bis 1862 Landrat des Teltows war. Bärbel Wunsch hatte das kleine Kreuz beim Saubermachen gefunden. Das Kind ließ sie nicht los und sie suchte in der Familienchronik derer von dem Knesebeck, zu wem Oskar Wilhelm gehörte.
Einer der Gründe, warum sich Bärbel Wunsch engagiert, ist es, die Geschichte des Dorfes im historischen Kontext erfahrbar und lebendig zu halten. In der Kirchengemeinde Blankenfelde-Jühnsdorf, wo sie seit 2013 Vorsitzende des Gemeindekirchenrats ist, setzt sie sich für die bauliche Erhaltung der Dorfkirche ein. Der frühere Pfarrer Steffen Wegener hatte neue Glocken für das Gotteshaus aus der profanierten Kirche Heilige Familie aus dem niedersächsischen Rodewald geholt. Der Kirchturm wurde saniert. Danach wurde die historische Remler-Orgel, von der nur noch Reste vorhanden waren, neu aufgebaut und Außenanlagen gestaltet. Die Kirche entwickelte sich zum leuchtenden Mittelpunkt des Dorfes und zur Einladung an jedermann.
Gute Kontakte zum Blankenfelder Dorfschmied
Bei allen Vorhaben gewann man Freunde, Mitstreiter. Gottesdienste und Kultur locken auch Besucher aus Nachbarorten und Touristen. Das lässt sich nur bewerkstelligen, wenn man, wie Bärbel Wunsch, eine Netzwerkerin ist. Gute Kontakte wuchsen unter anderem zum Blankenfelder Dorfschmied Werner Mohrmann-Dressel und zu Jühnsdorfs Maler und Grafiker Marc Siebenhüner. Im September war das Jühnsdorfer Gotteshaus „Kirche des Monats“ des Förderkreises Alte Kirchen Berlin-Brandenburg. Eine schöne Bestätigung für Bärbel Wunsch, ihre Mitstreiter und den Freundeskreis.
Die Idee, sich der hoffnungslos verfallenen Gräber auf dem alten Kirchhof anzunehmen, schwirrte schon länger in Bärbel Wunschs Kopf. Die Gutsbesitzer von dem Knesebeck, die 1826 bis 1922 hier lebten, und die Angehörigen der „Lehrerdynastie“ Lademann sind noch überall im Ort präsent und fanden dort ihre letzte Ruhe. Deren Grabkreuze, teils aus Metall, teils aus Stein, waren im Lauf der Zeit unansehnlich, nicht mehr fest und die Inschriften unlesbar geworden. An den Personen hängen Geschichten, die Bärbel Wunsch, nun Vorstand des gemeinnützigen Vereins „Himmlische Kultur – Dorfkirche Jühnsdorf“, recherchierte und erzählen möchte. Ab 2021 trug sie Informationen zusammen, fotografierte, besorgte Kostenvoranschläge und sprach mit Kirche, Kommune und Denkmalpflege.
Komplizierte Restauration der Metallkreuze
In ihrem Kopf strahlten die Grabmale auf dem umzäunten Knesebeck-Friedhof und daneben die der Lademanns in altem Glanz. Zum 650. Dorfjubiläum 2022 sollte die Restauration erfolgen. Überzeugungsarbeit war nicht nur in der Kirchengemeinde nötig, der Kostenvoranschlag sprach eine deutliche Sprache. Viele Finanziers mussten ins Boot geholt werden. Kirchengemeinde, Kommune, Stiftungen und private Spender, auch von der Familie von dem Knesebeck, wurden akquiriert.
Die Restauration der Metallkreuze war „sehr speziell“. Mehrere Termine mit der Denkmalpflege und eine Konzeption des Metallrestaurators wurden unvermeidlich. Nicht nur die Oberflächen bedurften fachkundiger Hände. Da Teile oder Ornamentik ganz fehlten oder nur Fragmente geblieben waren, musste festgelegt werden, was wie und mit welchem Material bearbeitet werden soll. Am Schluss stand auch die Vergoldung an. Der Preis stieg. Doch Bärbel Wunsch wollte keine „halben Sachen“. Das Vorhaben wurde sukzessive umgesetzt: Die Stein-Grabmale, die größtenteils nur gesäubert werden mussten, konnten zum Dorfjubiläum 2022 präsentiert werden.
Jetzt kamen die Metallkreuze von den Restauratoren der Berliner Firma Dempwolf zurück. Sie wurden auf neue Sockel gestellt, da die alten nicht mehr trugen. Vier Metallkreuze hievten Steinmetz und Metallbauer auf die Sandsteinsockel. Ornamente und Inschriften glänzen golden auf dem schwarzen Metall – wie am ersten Tag. Manches Detail ist so schön, dass einem das Herz aufgeht. Das Kinderkreuz Oskar Wilhelms wird einen Platz im Kircheninnern finden. Bärbel Wunsch ist stolz und glücklich über die Wahl der Handwerker:
Solide Arbeit hätten sie geleistet. „Ich hoffe, dass das 100 Jahre hält und schön bleibt“, sagte sie. Und denkt schon weiter: Ein QR-Code an jedem Kreuz könnte Besuchern die Geschichte des dort Bestatteten erzählen. Das wäre mal ein neues Projekt.