Worauf achteten Künstler einst, wenn sie einen Menschen zeichneten? Wie veränderte sich ihr Blick über die Jahrhunderte? Antworten auf diese Fragen liefert eine neue Ausstellung in München.
Die Münchner Pinakothek der Moderne präsentiert vom 23. Januar bis 13. April Glanzstücke aus der Staatlichen Graphischen Sammlung. Unter dem Titel “Den Menschen vor Augen” sind Beispiele italienischer Zeichnungen aus den Jahren 1450 bis 1750 zu sehen. Laut Ankündigung gehören dazu die früheste sienesische Bildnisstudie von Domenico di Bartolo (um 1400-1447) und das Blatt mit einem männlichen Torso, bei dem Michelangelo Buonarroti (1475-1564) eine neuartige, von ihm entwickelte Strichtechnik von besonders vitaler Wirkung angewendet hat.
Neben einer Reihe herausragender Zeichnungen Fra Bartolommeos (1472-1517) ist auch Jacopo da Pontormos (1494-1557) fulminantes Rötelblatt “Zwei stehende Frauen” zu bewundern, wie es heißt. Dieses zähle zu den schönsten und rätselhaftesten Arbeiten von der Hand des Vertreters des Florentiner Manierismus. Darüber hinaus seien Blätter zu sehen, die bisher nur der Fachwelt bekannt gewesen seien, etwa Odoardo Fialettis (1573-1638) “Brustbild eines bekränzten Fauns” und das Selbstporträt Jacopo Amigonis (1682-1752), des im frühen 18. Jahrhundert im süddeutschen Raum so einflussreichen Vertreters venezianischer Kunst.
Die Schau gliedert sich den Angaben nach in vier Abschnitte. Im ersten erforschten frühe Blätter “unbefangen und verwundbar” den Körperbau, oft mit Bezug auf antike Skulpturen, während spätere Studien sich am lebenden Modell orientierten. Der Abschnitt “gewandet und kostümiert” zeige Menschen in Hüllen, die ihre Träger in die Welt- und Gesellschaftsordnung einreihten. Gruppen und Menschen in Aktion folgten unter “neben-, mit- und gegeneinander”. Dabei werde das Verhältnis des Einzelnen zu anderen in den Fokus gerückt. Den Schlusspunkt bildeten Zeichnungen von Gesichtern und Köpfen, die unter dem Motto “privat und offiziell, ideal und grotesk” stünden.