Artikel teilen:

Dem Leben lachend begegnen

Noch bis Weltlachtag am 7. Mai erklingt in der Bielefelder Altstadt anstatt der viertelstündigen „Zeitansage“ ein Lachen vom Kirchturm. Es soll anstecken – und an eine gute Gabe Gottes erinnern

Für ihren Humor sind die Ostwestfalen nicht gerade berühmt. Das könnte sich jedoch in diesen Tagen ändern, denn neuerdings wird in dem ostwestfälischen Oberzentrum Bielefeld gewissermaßen von höchster Stelle gelacht: vom Kirchturm der Altstädter Nicolaikirche. Täglich bis zum 7. Mai, dem Weltlachtag, jeweils von 10 bis 18 Uhr erklingt anstelle des Glockenklangs zu jeder Viertelstunde mehrstimmiges Gelächter vom Turm: zuerst 15, dann 30, dann 45 und zur vollen Stunde schließlich 60 Sekunden.

Eröffnungsgottesdienst: Lachyoga für alle

Eröffnet wurde die Aktion, die Vorbilder unter anderem in Berlin und Frankfurt hat, am vergangenen Sonntag mit einem Osterlach-Gottesdienst. Der machte seinem Namen alle Ehre, denn kaum sonst irgendwann dürfte der ehrwürdige Kirchraum mit so viel Fröhlichkeit erfüllt gewesen sein wie an diesem Tag. Schon da zeigten die Ostwestfalen ihren Gästen, Mitglieder von Lachyoga-Gruppen aus verschiedenen deutschen Städten, dass sie längst nicht so dröge sind wie ihr Ruf.
Wenn Silvia Rößler, Lachyoga-Lehrerin aus Bielefeld und Initiatorin der Aktion, zum Mitlachen einludt, blieb kaum eine Miene ernst. Auch einige kleine technische Probleme nahmen die Gottesdienstbesucher mit Humor: etwa bei der Übertragung der Grußworte von Schirmherr Eckart von Hirschhausen und dem Begründer der Lachyoga-Bewegung, dem indischen Arzt Madan Kataria.
Bei so viel Yoga – wo bleibt da der christliche Glaube? Für  Armin Piepenbrink-Rademacher, Pfarrer in Bielefeld-Altstadt und zuständig für die Stadtkirchenarbeit, ist das kein Widerspruch. Im Gegenteil: „Ziehen wir nicht viel zu oft die Stirn kraus anstatt uns über die frohe Botschaft des Evangeliums zu freuen?“, fragt Piepenbrink-Rademacher. Der christliche Glaube sei doch eine freudige Angelegenheit und nicht nur Kopf-,
sondern auch Herzenssache. Das könne der „lachende Kirchturm“ zeigen. Und er könne daran erinnern, dass das Lachen eine Gabe Gottes sei. „Auch wenns mal dicke kommt“, so der Pfarrer, sei es doch wunderbar, wenn man sich Zuversicht, Leichtigkeit und ein Lächeln bewahren könne. Im Lachen zeige sich das „Dennoch“ des christlichen Glaubens.

Lachen: das Halleluja der Osternacht

Seine Botschaft kam bei den Gottesdienstbesuchern an: Michaela Büth aus Münster ist so begeistert, dass sie die Idee des lachenden Kirchturms gern zum Katholikentag 2018 in ihre Stadt mitnehmen möchte. Sie spüre, so sagt sie, beim Lachen das Halleluja der Osternacht. Norbert und Margarete Ingber aus Bielefeld-Brake, die Kirche sonst meist „ernst und geschäftsmäßig“ erleben, freuen sich über die Aktion und hatten ihren Spaß an dem ganz anderen Gottesdienst. Ähnlich erging es Nele Lunkenheimer aus Bielefeld-Bethel: Es gebe ja genügend Gründe, die Mundwinkel hängen zu lassen. Wenn man es aber schaffe, den Realitäten des Lebens lachend zu begegnen, ohne sie zu veralbern, nähme man ihnen die Härte und könne neue Kraft schöpfen.
Irgendetwas oder irgendwen veralbern – das will auch Piepenbrink-Rademacher nicht. Ebensowenig wie ein aufgesetztes Lachen auf Knopfdruck. Was er sich und den Menschen wünscht, ist eine andere innere Grundhaltung. „Lassen Sie sich ruhig mal hinreißen zu einem Lächeln“, ruft er den Gottesdienstbesuchern zu.
Das wünschen sich auch die beiden Urheberinnen der Aktion, die Frankfurter Künstlerinnen Carolyn Krüger und Brigitte Kottwitz.  Wie der Pfarrer sind sie gespannt, ob der lachende Kirchturm nicht nur den Gottesdienstbesuchern, sondern auch anderen Bielefeldern ein Lächeln ins Gesicht zaubert – wenigstens für zwei Wochen.