Artikel teilen

Dekanat Passau pocht auf Sichtung seiner Personalakten

Das evangelische Dekanat Passau will als erstes Dekanat in ganz Bayern seine Personalakten auf mögliche Missbrauchsfälle hin durchforsten. Das Synodenmitglied Rainer Sebastian, der zudem niederbayerischer Bezirksvorsitzender des evangelischen Arbeitskreises der CSU ist, hatte einen entsprechenden Antrag gestellt. „Bei uns im Dekanatsbezirk ist der Aktenbestand im Vergleich zu anderen Dekanaten und zur gesamten Landeskirche überschaubar, weil wir relativ klein sind. Deswegen: Wenn man irgendwo anfängt, dann bei uns“, sagte er im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Dekanatssynode hat Sebastians Antrag vor wenigen Tagen zugestimmt.

Mit seinem Anliegen bezieht Sebastian sich auf eine Äußerung des bayerischen evangelischen Landesbischofs Christian Kopp, der erläutert hatte, dass für die ForuM-Studie zu sexuellem Missbrauch in Kirche und Diakonie bislang nur die Disziplinarakten zur Verfügung gestellt wurden, weil eine „systematische Analyse sämtlicher Personalakten der Jahre 1945 bis 2020 in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu schaffen“ gewesen wäre. Kopp selbst hatte im Januar von einer „sechsstelligen Zahl“ an Personalakten gesprochen.

Das sei für den Synodalen ein Schlüsselerlebnis gewesen: „Ich wusste, wir werden mit Sicherheit die Ersten sein, die auch die Personalakten durchforsten“, sagte der Unternehmer. Ende Januar hatte ein Forscher-Team die ForuM-Studie über sexualisierte Gewalt im Raum der evangelischen Kirche und der Diakonie vorgestellt. Darin ist von mindestens 2.225 Betroffenen und 1.259 mutmaßlichen Tätern die Rede. Die Forscher gehen aber von einer deutlich höheren Dunkelziffer aus. Die bayerische Landeskirche hatte 129 beschuldigte Personen und 226 Taten für den Zeitraum 1917 bis 2020 für die Studie identifiziert.

Sebastian vermutet, dass die Zahl wesentlich höher liegt, weshalb er nun Druck aufbauen wolle, damit die Auswertung der Personalakten „nicht im Sande verläuft“, sagte er. Die beste Vorsorge ist ihm zufolge, sämtliche alten Fälle aufzudecken, damit die Täter sich nicht sicher sein könnten. „Erwischen ist die beste Prävention.“

Der Passauer Dekan Jochen Wilde begrüßte zwar das Anliegen des Antrags, räumte aber ein, dass dem Dekanat lediglich der Zugriff auf Personalakten der direkt Angestellten des Dekanats zum jetzigen Zeitpunkt erlaubt sei – insgesamt seien dies etwa 15 Personen. Pfarrerinnen und Pfarrer sowie Diakone fielen nicht darunter. Diese stünden in unmittelbarem Dienstverhältnis der bayerischen Landeskirche.

Die Dekanatssynode fordert deshalb auf Sebastians Initiative hin die Landeskirche auf, sämtliche Personal- und Disziplinarakten der kirchenrechtlich unterstellten Bediensteten im Dekanat Passau „innerhalb des nächsten Jahres hinsichtlich sexualisierter Gewalt zu sichten und die Ergebnisse vollumfänglich an das Präsidium der Dekanatssynode Passau zu kommunizieren“.

Sebastian geht davon aus, dass die Landeskirche das Anliegen unterstützt und in einem Jahr die gesamten Personalakten aus dem Dekanatsbezirk mit seinen nur etwa 20.000 Evangelischen vorliegen werden. Wenn nicht, „dann hat die Kirche versagt“, sagte er. (00/3058/15.10.2024)