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Dein Wille geschehe

Was ist das denn für ein Wort: Rogate? Antwort: der liturgische Name dieses Sonntags. Und der lenkt den Blick auf eine interessante Frage: Was machen wir da eigentlich, wenn wir beten?

Gefaltete Hände. Menschen, die niederknien. Oder aufrecht stehen, Hände zum Himmel gereckt. Es gibt viele Wege zu beten. Ein Plakat, das zurzeit im Internet die Runde macht, zeigt ein gutes Dutzend Arten davon. Darunter steht der Spruch: „Es macht keinen Unterschied, wie du betest. Es funktioniert ja doch nicht.“
Funktionieren Gebete? Das ist eine Frage, über die man sich – wie auf dem Plakat geschehen – lustig machen kann. Aber man kann sie auch ernsthaft stellen: Funktionieren Gebete?

Jeder, der betet, hat das schon erlebt: Man bittet. Man fleht. Voller Inbrunst: „Gott, gib doch bitte, dass …“  Und nichts passiert.
Nun kann man einwenden, dass ein Gebet ja nicht notwendigerweise nur aus Bitten bestehen muss. Es ist kein Wunscherfüllungs-Automat. Neben Bitte und Fürbitte gibt es: das Dankgebet. Das Gotteslob. Die Meditation. Die Klage. Das Herzensgebet. Die Morgenbesinnung. Den Tagesrückblick.
Und doch: Eine wichtige Grundbestimmung des Gebets ist und bleibt eben doch die Bitte.

Das zeigt sich schon sprachlich. „Rogate“ ist der liturgische Name des heutigen Sonntags. Das ist Latein für „bittet“, und zwar im Sinne von „betet“. Auch das deutsche Wort „Gebet“ (althochdeutsch „gibet“) geht auf das Wort „bitten“ zurück. Und die Bibel ist voll von Beispielen, in denen wir Menschen aufgefordert werden, Gott von ganzem Herzen um etwas zu bitten. Jesus sagt: „Bittet, so wird euch gegeben.“

Stellen wir uns das einen Augenblick lang mal vor. Donald Trump bittet Gott „America first – auch im Syrienkonflikt“. Die Russisch-Orthodoxe Kirche und mit ihr Putin bitten Gott in der gleichen Sache auch um etwas. Dann betet der syrische Präsident Assad. Der israelische Ministerpräsident bittet Gott. Und die Mullahs im Iran dann auch noch. Jeder voll Inbrunst und der guten Überzeugung, für das absolut Richtige zu bitten.

Kann sich irgendjemand vorstellen, was dann passieren soll? Ein weiser Zeitgenosse soll mal gesagt haben: Wenn Gott nicht so gnädig wäre, nicht jedes Gebet zu erhören – so mancher Frömmling hätte die Welt schon kurz und klein gebetet. So funktioniert ein Gebet also nicht.
Das wird nun allerdings denen wenig Trost spenden, die vergeblich für jemanden gebetet haben, den sie von Herzen lieben. Was hätte daran falsch sein sollen, wenn jener Mensch in Not bewahrt worden wäre?
Gott bleibt auch hier: ein Geheimnis. Er gibt. Aber oft nicht so, wie wir es uns vorgestellt hätten.

Kann das Gebet also Gottes Willen ändern? Die Bibel sagt: Ja. Aber das Gebet kann auch die andere Seite verändern: den Menschen. Was würde denn geschehen, wenn Trump, Putin und alle anderen nicht nur ihre Bitten an Gott stellen würden. Sondern auch versuchten, auf ihn zu hören? Auf eine Stimme, die hinter all den Erwartungen und fertigen Forderungen auftaucht?
Gebet kommt von bitten. Aber es muss Raum bleiben. Für die Erkenntnis: Dein Wille geschehe. Nicht meiner.