“Wir lassen uns nicht unterkriegen”, betont der Zentralrat der Juden in Deutschland. Doch die aktuellen Debatten über offenen Judenhass und Kritik an fehlender Solidarität zeigen, dass dies immer schwieriger wird.
Warme Worte und scharfe Kritik – das Thema Antisemitismus in Deutschland stand am Wochenende im Mittelpunkt vieler Debatten. Dabei gab es prominente Solidaritätsbekundungen, aber auch kritische Mahnungen.
“Wir lassen uns nicht unterkriegen”, betonte Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland in Berlin zum Abschluss des fünften Gemeindetags: “Wir begegnen dem Hass, den wir auf den Straßen sehen, an den Universitäten, ja in der Mitte der Gesellschaft, mit Mut und Zusammenhalt.”
Seit Donnerstag hatten mehr als 1.400 Mitglieder jüdischer Gemeinden gefeiert, gebetet und diskutiert. Und sich angehört, wie die politische Spitze des Landes ihre Solidarität zusicherte:
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betonten, in Deutschland müsse jüdisches Leben eine Selbstverständlichkeit bleiben. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) forderte, wer deutscher Staatsbürger werden wolle, müsse sich zum Existenzrecht Israels bekennen.
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) versprach die konsequente Verfolgung judenfeindlicher Straftaten und ergänzte, wer es nicht ertrage, dass das Judentum zu Deutschland gehöre, sei in Wirklichkeit derjenige, der nicht zu Deutschland gehöre.
Mit Blick auf Antisemitismus sagte Schuster der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): “Die schweigende Mehrheit ist zu leise.” Er beobachte eine “gewisse Gleichgültigkeit” in der Gesellschaft.
Der Berliner katholische Erzbischof Heiner Koch forderte im “Handelsblatt” mehr Engagement gegen Judenhass. Das weit verbreitete Schweigen sei “ein Hinweis, wie es um die emotionale Verbundenheit mit Israel in Teilen der Gesellschaft steht”, kritisierte er.
Bundesbildungsministerin Bettina-Stark Watzinger (FDP) forderte in der “Welt am Sonntag” einen besseren Schutz jüdischer Studenten mit Blick auf Hörsaal-Besetzungen durch die Gruppe “Students for Free Palestine” in Berlin: “Wir dürfen nicht zulassen, dass jüdischen Studierenden der Zugang zu Hörsälen verwehrt wird, sie Anfeindungen oder gar Gewalt ausgesetzt sind.”
In der “Bild”-Zeitung forderte der Extremismus-Experte Ahmad Mansour Konsequenzen für alle Studenten, die sich an Hass-Aktionen gegen Juden beteiligen. Im Rahmen etwa von Postkolonialismus-Theorien hätten Antisemitismus und Rassismus an den Unis sogar in der Lehre Einzug gehalten. Diese Ideologien stellten Israel als Kolonialmacht und Juden als weiße Unterdrücker dar, Hamas-Terroristen dagegen als Widerstandskämpfer.
Auch der Direktor der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, Dani Dayan, kritisierte Hochschulen in den USA und Deutschland. Viele jüdische Studenten fühlten sich ausgegrenzt. Das größte Problem seien aber nicht die Studierenden: “Stellen Sie sich vor, ein Soziologieprofessor der Universität Yale schreibt ein Buch, in dem er oder sie dazu aufruft, alle LGBTQ-Personen zu ächten und aus der Gesellschaft auszugrenzen. Das ist Redefreiheit. Aber Sie werden feststellen, dass er am nächsten Tag seinen Job verloren hat. Aber wenn er die Abschaffung des jüdischen Staates fordert, hat er eine gute Chance, befördert zu werden.”
Ex-Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) kritisierte den Frauenverband der Vereinten Nationen UN Women und andere Frauenrechtsorganisationen: Zum Leid israelischer Frauen herrsche “ohrenbetäubendes Schweigen”, während die Verbände sonst immer lautstark Frauenrechte einfordern würden.
Schauspielerin Iris Berben warf der deutschen Filmszene vor, zu lange zum Terror der Hamas geschwiegen zu haben: “Es war ein dröhnendes Schweigen, so laut, dass es unerträglich war.”
Die jüngsten Festnahmen und vereitelten Anschlagspläne machten vielen Juden Angst, sagte der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, der “Rheinischen Post”. Rasche Aufklärung sei nötig.