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Das sagt Konsistorialpräsidentin Viola Vogel zur Forum-Studie

Viola Vogel, Konsistorialpräsidentin der EKBO, stellt sich den Fragen zur Forum-Studie zu Fällen sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Dr. Viola Vogel, Konsistorialpräsidentin der EKBO
Dr. Viola Vogel, Konsistorialpräsidentin der EKBOEKBO / Franziska Kestel

Das von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) beauftragte ­unabhängige Forscherteam sprach am 25. Januar in Hannover von mindestens 2225 Betroffenen und 1259 mutmaßlichen Tätern bundesweit. Für die EKBO hat es 116 von sexualisierter Gewalt betroffene Personen und 41 beschuldigte Personen aufgelistet. Unter den Beschuldigten sind 39 Pfarrer und zwei privatrechtlich angestellte Mitarbeiter der Kirche. Das sei nur „die Spitze der Spitze des Eisbergs“, weil vor allem Disziplinar-, kaum aber Personalakten eingesehen wurden. Eine empirische Grundlage für die Aufarbeitung zu schaffen, sei nur bedingt gelungen, weil die Landeskirchen Zahlen und Akten laut dem Forscherteam nur schleppend zur Verfügung stellten. Im Gespräch mit Sibylle Sterzik erklärt Konsistorialpräsidentin Viola Vogel, wie der Prozess in der EKBO organisiert war.

Frau Dr. Vogel, wie beurteilen Sie die Ergebnisse der Forum-Studie zur sexualisierten Gewalt in Kirche und Diakonie?
Viola Vogel: Ich danke den Betroffenen für Ihren Mut, sich so intensiv in diese Studie eingebracht zu haben. Das ermöglicht es uns in der Evange­lischen Kirche wie in der Diakonie erst, die richtigen Schlussfolgerungen aus der Studie zu ziehen und künftiges Leid zu verhindern. Davor habe ich hohen Respekt.

Worin sehen Sie jetzt unmittelbar die nächsten notwendigen Maßnahmen in der Landeskirche, die sich daraus ergeben?
Jetzt unmittelbar sehe ich die ­große Notwendigkeit, dass alle Kirchenleitenden und Leitungsgremien in unserer Landeskirche und in der Diakonie die Studie vertieft lesen und auswerten. Dann wollen wir gemeinsam mit den Betroffenen endlich ins Tun kommen. Das heißt konkret: Erhöhte Sensibilisierung aller kirchlichen Mitarbeitenden durch Schutz-, Schulungs- und Präventionskonzepte, weitere Implementierung dieser Schulungsinhalte in die pfarramtliche und kirchliche Ausbildung, enger Austausch mit den Betroffenen, Überprüfung des Disziplinarrechts auf EKD-Ebene und Bereitstellung der notwendigen finanziellen Ressourcen für die Arbeit der Geschäftsstelle in der Anerkennungskommission.

Die Zahlen der Studie geben nur die Spitze des Eisberges wieder. Einen Grund sahen die Forscher der ForuM-Studie darin, dass die Landeskirchen Fragebögen und Personalakten nicht oder nur schleppend zur Verfügung gestellt hätten. Woran lag das und wie war das in der EKBO?
Das Forschungsdesign der von der EKD initiierten ForuM-Studie hat sich im Verlauf der Studie geändert. Es gab Verzögerungen bei der Bereitstellung der geforderten Akten aus den Landeskirchen, weshalb die Forschenden sich dann aus Zeitgründen nur auf die Disziplinarakten und die Bereitstellung von Personaldaten aus Fragebögen fokussierten. Für die EKBO kann ich sagen, dass wir zu jedem Zeitpunkt den Forschenden Zugang zu unseren Aktenbeständen – Personal- wie auch Diszi­plinarakten – gegeben haben. Die Forschenden hatten auch Kontakt zu unserem landeskirchlichen Archiv und wir haben fristgerecht die Auskünfte gegeben, die von uns gefordert waren. Die Zusammenarbeit mit dem Forschungsteam war sehr gut.

In wie viele Personalakten kirchlicher Mitarbeitender hat die EKBO Einsicht gewährt und auf welche Weise?
Die Einsichtnahme der Forschenden erfolgte mehrheitlich nicht durch direkte Einsicht in einzelne Personalakten vor Ort, sondern auf Wunsch der Forschenden über Datenlieferungen in Form von Fragebögen. Das verantwortete unsere landeskirchliche Beauftragte im Umgang mit sexualisierter Gewalt.

Enthalten Personalakten Hinweise auf sexualisierte Gewalt oder wo werden solche Hinweise von jeweiligen kirchlichen Arbeitgebern festgehalten?
Bei Kirchenbeamten und Pfarrern kommt es darauf an, ob neben dem staatlichen Strafverfahren ein innerkirchliches Disziplinarverfahren eingeleitet worden ist – dann gibt es eine eigene Disziplinarakte neben der Personalakte – oder nicht. Im letzten Fall verbleiben die Hinweise in der Personalakte. Das gilt auch, wenn nicht staatlich, sondern nur innerkirchlich ermittelt wurde. Insofern ist es völlig richtig, wenn die Forschenden darauf hinweisen, dass eine umfassende Personal­aktenauswertung in den Landeskirchen sicher noch einmal andere Ergebnisse liefern würde. Bei ­privatrechtlich angestellten Mit­arbeitenden ist der Arbeitgeber oder Anstellungsträger – Landeskirche, Kirchenkreis, Kirchengemeinde, diakonische Einrichtung ­ gehalten, diese Hinweise in die Personalakte zu nehmen.

In keiner Landeskirche gab es zum Zeitpunkt der Erhebung einen Betroffenenbeirat, der die Interessen der Betroffenen gegenüber der Kirche vertritt, auch nicht in der EKBO. Welchen Grund gibt es dafür und ist geplant, dass die Landeskirche einen solchen Beirat bildet?
Noch haben wir keinen Betroffenenbeirat. Aber wir werden alle ­Anstrengungen unternehmen, um die Perspektive der Betroffenen in ­unsere Reformüberlegungen mit einzubeziehen. Geplant ist auf der Ebene unserer Landeskirche mit der Evangelischen Nordkirche zusammen im sogenannten Verbund Nord-Ost für die geplante Unabhängige regionale Aufarbeitungskommission (URAK) Betroffenenforen in Hamburg wie in Berlin einzurichten. Das soll noch vor der Sommerpause in diesem Jahr geschehen.

Wollen Sie, dass sich weitere Betroffene melden und an wen können Sie sich wenden?
Natürlich! Wir ermutigen und bitten alle Betroffenen von sexualisierter Gewalt auf dem Gebiet unserer Landeskirche, sich zu melden, um ihr Leid zu hören und anzuerkennen. Daneben geben wir Hilfe und Unterstützung über unsere landeskirchliche Beauftragte für den Umgang mit sexualisierter Gewalt, Marion Eckerland oder – wer anonym und von der Landeskirche unabhängige Unterstützung sucht – kann sich bei der Ansprechpartnerin für Opfer von sexualisierter Gewalt der Landeskirche, Chris Lange melden.

Die Ergebnisse der Studie sind hier nachzulesen. Ansprechpartnerinnen in der EKBO sind Marion Eckerland: Tel 030-24344-423; E-Mail: m.eckerland@ekbo.de oder Chris Lange: Telefon 0160/2043749; vertrauensstelle-ekbo@posteo.de