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Das können Urlauber gegen Kinderausbeutung im Tourismus tun

In den Ferien möchte man vom Übel dieser Welt nichts wissen. Doch auch im Urlaub trägt jeder Mensch Verantwortung, wie der Wissenschaftler Harald Pechlaner meint. Die sollte man wahrnehmen – selbst in heiklen Lagen.

Der Tourismus boomt – und mit ihm die sexuelle Ausbeutung von Kindern. Wie dagegen angehen? Dieser Frage widmet sich am Donnerstag ein Podium in Rom. Co-Veranstalter ist die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU). Deren Tourismus-Professor Harald Pechlaner spricht im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) darüber, auf welche Weise Mädchen und Jungen zu Opfern im Rahmen des Fremdenverkehrs werden. Außerdem gibt er Tipps, wie Reisende dagegen angehen können.

Frage: Herr Pechlaner, wie werden Kinder im Tourismus ausgebeutet?

Antwort: Hauptsächlich gibt es sexuelle und wirtschaftliche Ausbeutung, wobei beides zusammenhängen kann. Darunter leiden Millionen Minderjährige auf der ganzen Welt, genaue Zahlen gibt es nicht. Arme Familien schicken Kinder etwa in die Prostitution, um an Geld zu kommen. Oder sie setzen ihren Nachwuchs in der Gastronomie ein. Armut muss aber nicht immer der Hintergrund sein. Auch kulturelle Gründe und eine laschere Rechtslage können ausschlaggebend dafür sein, dass ein Kind sexuell ausgebeutet wird. In vielen Ländern gibt es andere Altersgrenzen für Strafmündigkeit, und wenn diese niedrig ist, werden weniger Fälle angezeigt.

Frage: Wie können Urlauber Kinderausbeutung erkennen?

Antwort: Leider nur sehr schwer. Sensibilisierung ist das A und O und gilt für das Personal in den Unternehmen des Tourismus genauso wie für die dort wohnenden Gäste. Wer mit einem Reiseveranstalter, mit einer Airline unterwegs ist, hat da vielleicht mehr Möglichkeiten, sensibilisiert zu werden, als wenn man individuell unterwegs ist. Aber als Gast kann ich danach fragen, und fragen sollte ich als verantwortungsbewusster Reisender, auch wenn das durchaus heikel sein kann. Und Reisende können Beobachtungen auf dontlookaway.report auch online melden.

Frage: Was meinen Sie mit heikel?

Antwort: Im Hotel nimmt ein Gast, der sonst immer allein war, auf einmal ein Kind mit ins Zimmer? Melden Sie derlei verdächtige Beobachtungen der Rezeption! Lieber einmal zu viel Bescheid geben als einmal zu wenig. Schließlich geht es nicht ums Denunzieren, sondern um den Schutz von Kindern. Dabei handelt es sich um hilf- und wehrlose Menschen, für deren Wohlergehen sich jeder verantwortlich fühlen sollte, auch im Urlaub. Ethisch korrektes Reisen, ja Leben geht nicht ohne diesen Gedanken. Nicht umsonst haben die Vereinten Nationen den Kinderschutz zu einem ihrer Ziele im Sinne der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung erklärt.

Frage: Wie können sich Urlauber schon im Vorfeld ihrer Ferien gegen Kinderausbeutung absichern?

Antwort: Sie sollten bei den Reiseanbietern gezielt in dieser Sache nachfragen. Das erhöht auf die Unternehmen den Druck, entsprechend zu agieren. Weitere Tipps und Hinweise zu Zertifizierungen bieten Internetportale wie thecode.org und Organisationen wie ECPAT.

Frage: Weg vom Urlauber, hin zur Branche: Welche offenen Baustellen sehen Sie da?

Antwort: Es gibt Anbieter wie die Dertour Group, die sich vorbildlich engagieren und etwa auf Flügen Videos zur Sensibilisierung für Kinderschutz zeigen und ihre Hotels entsprechend instruieren. Insgesamt sind die Reiseveranstalter weiter als die Zielgebiete und die Hotelbetriebe. Woran es noch mangelt, ist das Bewusstsein, dass Kinder nicht nur in der Ferne, sondern auch in Europa, in Deutschland ausgebeutet werden können. Da ist beispielsweise hinsichtlich die Aufklärung von Hotelpersonal noch Luft nach oben. Die Branche sollte dieses Thema offensiv angehen. Tourismus ist eben ein Spiegelbild der Gesellschaft, und darin tauchen auch menschliche Abgründe auf.

Frage: Ihr Rat klingt, als wäre der Kampf gegen Kinderausbeutung für die Branche kein Herzensthema?

Antwort: Ein Herzensthema kann es nicht sein, weil die Branche viel zu wenig davon weiß. Von Haus aus will sie sich nur mit dem Schönen befassen, mit Urlaub, den tollsten Tagen des Jahres. Das haben wir auch bei der Organisation unseres Podiums in Rom erlebt. Branchenvertreter haderten aus Angst um ihr Image zunächst mit Zusagen. Ich bin froh, dass uns nun die beiden größten italienischen Tourismusvereinigungen unterstützen. Das ist der richtige Weg! Vertuschen und Kleinreden hilft nicht. Dieses Problem sollte man so früh wie möglich angehen. Insofern passt es, dass wir in Rom tagen, und zwar mitorganisiert von der päpstlichen Gregoriana-Universität.

Frage: Wieso passt das?

Antwort: Die Kirche hat leider oft gezeigt, wie man mit Missbrauch nicht umgehen sollte. Aber sie leistet heute viel in der Prävention. Davon können andere lernen. Und aus Forschersicht ist interessant, welche Erkenntnisse die zu dem Thema seit Längerem arbeitende Gregoriana und ihr Institut für Anthropologie gewonnen haben und ob sie sich auf den Tourismus übertragen lassen. Die Ausbeutung von Kindern in diesem Bereich ist leider wissenschaftlich noch kaum erforscht. Unser Podium gibt hoffentlich einen Anstoß dazu. Daraus sowie aus der entfachten transnationalen und transdisziplinären Diskussion könnten sich etwa konkrete Gesetzesinitiativen ergeben.