Es ist ein kompliziertes Zusammenspiel von Luft, Muskeln, Stimmlippen und Knorpel. Im Kehlkopf entsteht die für jeden Menschen einzigartige Stimme. Ein einzigartiges Instrument, meinen deutsche Musikverbände.
Bei der Bundestagswahl im kommenden Februar soll möglichst jeder seine Stimme abgeben. Doch geht es nach den Landesmusikräten in der Bundesrepublik, sollte jeder Deutsche im Jahr 2025 seine Stimme besonders aufmerksam hegen, pflegen und benutzen. Denn sie haben am Donnerstag “das älteste Instrument der Welt” zum Musikinstrument des Jahres 2025 gekürt, wie der Landesmusikrat Schleswig-Holstein als Vertreter von 14 Landesmusikverbänden am Donnerstag in Kiel mitteilte.
Sprechen, singen, brüllen, weinen, flüstern: “In einem spannenden Zusammenspiel aus Muskeln, Stimmlippen und Knorpel im Kehlkopf entsteht die für jeden Menschen einzigartige Stimme”, erklären die Organisatoren der seit 2008 durchgeführten Aktion. Die Stimme sei Ausdruck der individuellen Persönlichkeit. Sie verbinde aber zugleich Menschen auf der ganzen Welt, überwinde kulturelle, sprachliche und geografische Grenzen und schaffe eine gemeinsame Basis für gegenseitiges Verständnis. Singen – ob unter der Dusche oder im Chor – mache glücklich und stärke das Gemeinschaftsgefühl.
Lunge, Kehlkopf, Stimmlippen, Mund- und Nasenhöhle, Bauchmuskeln, Zwischenrippenmuskeln, Brust- und Rückenmuskeln: Zum Glück muss man beim Sprechen und Singen nicht ständig darüber nachdenken, welche Körperteile zusammenspielen müssen.
Soll ein Ton entstehen, muss zunächst Luft eingeatmet und dann wieder über den Kehlkopf rausgepresst werden. Dort geraten die Stimmlippen in Schwingungen und erzeugen den (Primär-)Ton. Damit er Volumen bekommt, muss er im Körper verstärkt werden. Die Funktion des Lautsprechers erfüllen die Resonanzräume des Kopfes, also Mund- und Nasenhöhle sowie der Rachenraum. Johannes Zenk, Professor für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde in Augsburg, hat diesen Ablauf einmal mit einem Kochtopf mit Deckel verglichen. “Sie machen das Wasser heiß. Der Dampfdruck wird stärker und hebt den Deckel irgendwann hoch, er klappert.”
Die menschliche Stimme ist ein wandelbares und trainierbares Instrument. Im Jugendalter treten signifikante Veränderungen auf, da der Kehlkopf und die Stimmbänder wachsen und sich entwickeln. Im Erwachsenenalter bleibt die Stimme in der Regel relativ stabil, es sei denn, sie wird durch äußere Faktoren wie Rauchen oder Alkoholkonsum beeinträchtigt. Auch Alterserscheinungen wie Veränderungen der Muskelspannung und Elastizität verändern den Klang der Stimme leicht.
Stimmen sind unterschiedlich hoch oder tief und können sich über mehrere Oktaven erstrecken. Darüber entscheidet die Anatomie des Kehlkopfes und der Stimmlippen. Grundsätzlich gilt: Je kürzer die Stimmlippen und je schmaler, desto höher die Stimme und umgekehrt. So sind zum Beispiel die Stimmlippen eines Neugeborenen nur etwa sechs Millimeter lang. Bei einer erwachsenen Frau mit einer Sopranstimme haben die Stimmlippen eine Länge von rund 15 Millimetern. Bei einem erwachsenen Mann, der eine sehr tiefe Bassstimme hat, kann man rund 25 Millimeter messen.
Hohe und tiefe Singstimmen werden in der westlichen Musik in insgesamt 6 Hauptkategorien unterteilt. Bei den Frauenstimmen sind das der Sopran, der als höchste Tonlage oft als die “Königin der Stimmen” bezeichnet wird. Tiefer sind der Mezzosopran und der Alt. Zu den Singstimmen der Männer zählen der Tenor, der Bariton und der Bass.
Die menschliche Stimme ist einzigartig wie ein Fingerabdruck. Sie gilt zugleich als Ausdruck der Seele. Denn in jeder Stimme stecken auch nichtsprachliche Informationen: So kann man erkennen, ob Menschen traurig, depressiv, wütend, beleidigt oder euphorisch sind. In depressiven Momenten klingt die Stimme möglicherweise langsam, schwach und ohne großen Elan. Dem Körper fehlt die Spannkraft.
Haben Menschen hingegen gute Laune oder sind voller Tatendrang, ist der Körper angespannt, der Atem reicht tiefer und es entsteht viel Druck auf den Stimmlippen. Das führt zu einer höheren, deutlicheren, klareren und lauteren Stimme. Studien belegen, dass Menschen durch den Klang der Stimme Rückschlüsse auf Kompetenz, Attraktivität und Alter ihres Gegenüber ziehen. Wissenschaftler der Uni Göttingen haben 2021 etwa festgestellt, dass eine tiefere Stimmlage mit Personen in Verbindung gebracht wird, die dominanter und extrovertierter sind sowie mehr Interesse an Gelegenheitssex haben.