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Das 1,5-Grad-Ziel

Das 1,5-Grad-Ziel ist der zentrale Richtwert der internationalen Klimapolitik, festgeschrieben im Abkommen von Paris. Seit mehr als einem Jahr liegt die monatliche globale Durchschnittstemperatur fast konstant über diesem Wert. Dennoch gilt die Marke noch nicht als gerissen. Wichtige Fragen und Antworten dazu im Überblick:

Wie kam es zur Einigung auf das 1,5-Grad-Ziel?

Das 2015 bei der Pariser Klimakonferenz verabschiedete Abkommen setzt das Ziel, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius und möglichst auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Zum Zwei-Grad-Ziel hatte sich die Weltgemeinschaft bereits fünf Jahre zuvor beim Klimagipfel von Cancún bekannt. Mit der Aufnahme der 1,5-Grad-Marke in das Abkommen wurde eine Forderung von kleinen Inselstaaten und Entwicklungsländern erfüllt, die besonders unter der Klimakrise leiden. Im Lauf der Konferenz von Paris schlossen sich immer mehr Staaten dieser Position an. Dieser breite Konsens verhalf den Verhandlungen über das Abkommen zu einem erfolgreichen Abschluss.

Wie ist das 1,5-Grad-Ziel wissenschaftlich untermauert?

Das 1,5-Grad-Ziel war zunächst eine politische Vorgabe, die wissenschaftliche Fundierung folgte erst anschließend. 2018 erstellte der Weltklimarat einen Sonderbericht, wonach die Risiken bei einem Temperaturanstieg von 1,5 Grad größer sind als zuvor angenommen. Die Wissenschaftler warnten, dass die bisherigen Klimaschutz-Zusagen der Staaten nicht ausreichend seien, um das Ziel zu erreichen.

Was passiert, wenn die Grenze überschritten wird?

In seinem Sonderbericht von 2018 prognostiziert der Weltklimarat unter anderem eine Zunahme von Extremtemperaturen, Starkniederschlägen und Dürren bei Überschreitung der 1,5-Grad-Marke. Auch warnen die Forscher vor einem massiven Verlust von Korallenriffen und Fischbeständen. Studien in den Folgejahren betonen, dass ab 1,5 Grad irreversible Schäden für das Klimasystem drohen. Die Folge könnte eine Destabilisierung von großräumigen Bestandteilen des Erdsystems („Kippelementen“) wie Eisschilden, Luft- und Ozeanströmungen sein.

Wann ist die 1,5-Grad-Grenze überschritten?

Seit mehr als einem Jahr meldet der EU-Klimawandeldienst Copernicus fast monatlich Temperaturrekorde, die mehr als 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau lagen, das sich auf den Referenzzeitraum von 1850 bis 1900 bezieht. Das Jahr 2024 zeichne sich als das weltweit wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen ab, teilte Copernicus am Donnerstag mit.

Die 1,5-Grad-Marke gilt damit allerdings noch nicht als gerissen. Entscheidend ist das langjährige Mittel, das einen Zeitraum von 20 Jahren umfasst. Die Wissenschaft geht davon aus, dass neben dem Treibhausgaseffekt das Wetterphänomen El Niño zum jüngsten Temperaturanstieg geführt hat.

Der Weltklimarat beschreibt in seiner Studie von 2018 auch das Szenario einer vorübergehenden Überschreitung („overshoot“) des 1,5-Grad-Ziels. Dabei würde die Durchschnittstemperatur bis Ende des Jahrhunderts wieder unter die Marke gedrückt. Auch bei diesem Verlauf wäre der Wissenschaft zufolge das 1,5-Grad-Ziel erreicht – dieser Pfad wäre aber mit höheren Risiken verbunden.

Ist das Ziel noch zu erreichen?

Mit den bisher zugesagten Klimaschutzmaßnahmen der Staaten steuert die Welt in diesem Jahrhundert auf einen Temperaturanstieg von 2,6 bis 3,1 Grad zu, wie aus dem jüngsten Emissionsreport der UN-Umweltorganisation Unep hervorgeht. Die für 2030 vorhergesagten Emissionen müssten um 42 Prozent, die für 2035 vorhergesagten Emissionen um 57 Prozent sinken, um die Welt auf einem 1,5-Grad-Pfad zu halten. Die Einhaltung des Ziels ist laut Unep noch „technisch möglich“, erfordert aber massive CO2-Einsparungen.

Manche Wissenschaftler halten das Ziel mittlerweile für unerreichbar. So erklärte der Klimaforscher Mojib Latif vor kurzem in einem Interview mit der Mediengruppe Bayern, das Ziel sei de facto längst gerissen. Daran festzuhalten sei „Realitätsverweigerung“