Nach Ansicht des Erlanger Theologen und Ethikers Peter Dabrock sollte die evangelische Kirche mutiger zu ihrer Freiheitsbotschaft stehen. In der Frage der Kunstfreiheit in kirchlichen Räumen beispielsweise müsse sie auch „unbequeme Perspektiven aushalten können“, sagte der frühere Vorsitzende des Deutschen Ethikrats laut Manuskript am Freitag beim landeskirchlichen Kunstsymposium „Alles ist erlaubt, nicht alles frommt“ in Regensburg.
Mit Blick auf die Kunstfreiheit sagte Dabrock, dass die Verletzung religiöser Gefühle nicht die alleinige Begründung für Kunstverbote sein könne. Vielmehr sei eine differenzierte ethische Abwägung notwendig, „um zwischen echter Blasphemie und kritischer Auseinandersetzung mit Religion zu unterscheiden“.
Der Ethiker begründete seine Aussagen anhand der Rosa-von-Praunheim-Ausstellung „Jesus liebt!“ im Juli 2023 in der St. Egidien Kirche in Nürnberg. Die unter künstlerischen Gesichtspunkten laut Dabrock als „nicht pornografisch“ zu bewertende Ausstellung wurde nach öffentlichen Shitstorms und moralischen Empörungen von der Kirche kurz nach der Eröffnung abgesagt. Dabei seien „einige schwere Fehler“ gemacht worden, sagte Dabrock mit Blick auf eine Aufarbeitung des Falls.
Die Kirche trage eine besondere Verantwortung für den Schutz marginalisierter Gruppen. Die Einladung des bekannten deutschen Schwulen- und Queer-Aktivisten und Künstlers Rosa von Praunheims sei ein „Akt der Versöhnung“ mit einer „jahrhundertelang von der Kirche unterdrückten , teils verfolgten Gruppe“ gewesen. Eine Gastfreundschaft, wie die Einladung der Ausstellung in die Kirche, müsse von daher „auch im Konfliktfall verteidigt“ werden, sagte der Ethiker. Die Rücknahme der Einladung zur Ausstellung sei ein „Rückschritt für die kirchliche Glaubwürdigkeit“.
Kunst in der Kirche müsse sich als kommunikativ, vulnerabilitätssensibel, inklusiv und solidarisch verstehen, „mit dem Mut zur Wahrheit und zur Unterstützung anderer“, sagte Dabrock weiter. Das Wesen der Kunst sei es zudem, zu provozieren und zu irritieren. Eine Kunstkirche, die nur gefällige Kunst zulasse, verkomme zur „Kitschkirche ohne transformative Kraft“. (0637/21.02.2025)