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Christen ziehen zu Karfreitag durch Jerusalem

Weniger Pilger, aber trotzdem voll: In Jerusalem feiern Christen aller Konfessionen Karfreitag. Ihre Kreuze, bunt geschmückt oder schlicht, prägen das Bild. Mit ihnen über die Via Dolorosa zieht der Wunsch nach Frieden.

Groß, klein, bemalt, mit Blumen geschmückt oder schlicht aus Holz: Kreuze dominierten am Freitag die Altstadt von Jerusalem. Hunderte Christen zogen ab den frühen Morgenstunden an entlang der 14 Stationen über die Via Dolorosa bis zur Grabeskirche, um an den Leidensweg Jesu von seiner Verhaftung bis zur Kreuzigung und Grablegung zu erinnern. Obwohl ausländische Pilgergruppen im zweiten Jahr in Folge kriegsbedingt weitestgehend ausblieben, drängten sich die Gläubigen in den engen Gassen. Denn in diesem Jahr feiern alle Konfessionen am selben Datum Ostern.

“Es ist kein guter, aber auch kein schlechter Tag, mittelmäßig eben”, sagt Mazan Kanan. Der muslimische Palästinenser verleiht große Holzkreuze an die Pilger; ein Monopol, das seit Generationen in seiner Familie liegt. Wie die Pilger zieht er seit dem Morgen mit seinen Kreuzen über die Via Dolorosa, nur in umgekehrter Richtung. “12, vielleicht 15 Kreuze” habe er an diesem Karfreitag vermietet, weil weniger Pilger als üblich da seien. Größer dagegen sei der Zulauf einheimischer Christen aus dem Norden Israels in den vergangenen Wochen vor Ostern gewesen.

Der serbisch-orthodoxe Zelko Markovic kommt seit 13 Jahren an Ostern nach Jerusalem. Davon konnte ihn auch der Krieg nicht abhalten. Seine Pilgergruppe trägt große Holzkreuze. “Wir bringen sie aus Serbien. Dann nehmen wir sie wieder mit nach Hause, wo wir bei einer großen Segensfeier Gott bitten, das serbische Volk zu retten.” Unter den Dutzenden serbischen Pilgern ist auch Boris. Der Architekt und Fußballer lebt in Italien. Auch er hat keine Sorge beim Besuch im Heiligen Land. “Ich bin zum ersten Mal hier – aber sicher nicht zum letzten!” Sein Kreuz will er in die orthodoxe Kirche von Piacenza tragen, um die dortigen Gläubigen zu segnen.

Geduldig trotzen die Serben der Sonne und stehen mit ihren Kreuzen Spalier, während die Prozessionen der verschiedenen Gruppen an ihnen vorbeiziehen. Den Anfang machen äthiopische Christen in ihren traditionellen weißen Baumwollgewändern. Auch von ihnen sind viele speziell zu den Feiertagen in die Heilige Stadt gereist. Mit fast zwei Stunden Verspätung folgt die Prozession der Griechisch-Orthodoxen, der sich zahlreiche osteuropäische orthodoxe Gläubige anschließen.

“Die Verspätung kommt, weil wir alle gemeinsam Ostern feiern”, sagt Issa Kassasieh. Der griechisch-orthodoxe Christ und frühere Basketballspieler ist ein bekanntes Gesicht in Jerusalem – und der einzige zertifizierte Weihnachtsmann der Stadt. “Ich bin sehr stolz, dass wir unsere Traditionen wahren. Und ich wünsche mir, dass das Heilige Feuer in diesem Jahr der ganzen Welt Frieden bringt”, sagt Kassasieh.

Zumindest ist die Stimmung entlang des Prozessionswegs an diesem Karfreitag entspannter als in anderen Jahren. Die israelischen Sicherheitskräfte, in großer Zahl aufgeboten, treten nur am Rande in Erscheinung, um den Zugweg für eine der größeren Gruppen zu öffnen oder jüdische und muslimische Beter auf dem Weg zu Klagemauer und Tempelberg (arab.: Haram al-Scharif) um die christlichen Gläubigen herumzuleiten. Eine Straßenecke weiter oben lassen sich zwei Grenzpolizisten vom Besitzer eines kleinen Ladens arabische Sprichwörter beibringen.

Karfreitag in Jerusalem lasse sich mit nichts vergleichen, meint Maraki, die ihren Familiennamen nicht nennen möchte. Die äthiopischstämmige Christin ist mit ihrem Mann und zwei Kindern aus Großbritannien angereist. “Mit meiner Familie an diesem Tag hier zu sein, ist ein Segen. Ich bin 40 Jahre alt; und so lange träume ich schon von Ostern in Jerusalem.” Dass der große Traum ausgerechnet in Kriegszeiten in Erfüllung geht, bereitet Maraki keine größeren Sorgen. “Wer an Gott glaubt, hat keine Angst. Wenn mein Tag gekommen ist, ist er gekommen.”

Viel Gottvertrauen und tiefe Frömmigkeit ist es, was diesen Tag in Jerusalem auszeichnet – ein Anziehungspunkt für Pilger aus aller Welt. “Nicht rechts, nicht links, einfach straight katholisch” – das ist es, was Martin Schaumberger am gelebten Christentum in Jerusalem gefällt. Er war früher mal Freiwilliger im Österreichischen Hospiz und ist über Ostern mit Freunden ins Heilige Land gekommen, “um die Karwoche in ihrer Fülle zu erleben, ohne dabei an Dienst zu denken”.

In einer Lücke zwischen den Franziskanern und der Prozession der Jerusalemer arabischen Christen zieht die kleine Gruppe für sich von Station zu Station bis zur Grabeskirche. Dort werden dann am frühen Samstagmorgen bereits die ersten Osterglocken vom Wunder der Auferstehung läuten.