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CDU-Politiker Armin Laschet zur Wiedereröffnung von Notre-Dame

Als Notre-Dame 2019 in Flammen stand, hielt ganz Europa den Atem an. CDU-Politiker Armin Laschet engagierte sich im Wiederaufbau. Er erklärt, warum Notre-Dame eine andere Bedeutung hat als der Louvre oder andere Kirchen.

Am 8. Dezember wird die Pariser Kathedrale Notre-Dame wiedereröffnet, die 2019 in Flammen stand. Als damaliger NRW-Ministerpräsident hat sich Armin Laschet stark für den Wiederaufbau engagiert. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) spricht der CDU-Politiker über die deutsch-französische Freundschaft, den Verlust von christlichen Werten und über seine persönliche Beziehung zu Notre-Dame.

KNA: Herr Laschet, wie haben Sie den Brand von Notre-Dame erlebt?

Laschet: Ich war an diesem Abend zufällig zu Hause in Aachen und hing am Fernsehapparat, um zu erfahren, was denn nun mit dem wichtigen europäischen Kulturerbe geschieht. Diese Kathedrale ist nicht nur für die französische katholische Kirche, sondern auch für die Nation Frankreich von zentraler Bedeutung. Zentral nicht nur im geistlichen, kulturellen, sondern auch im geografischen Sinne.

KNA: Inwiefern?

Laschet: Wie ich inzwischen gelernt habe, ist jedes Straßenschild in der Republik, das die Entfernung nach Paris anzeigt, von allen Departements auf die Ile-de-France hin berechnet, mit der Notre-Dame im Mittelpunkt. Hier wurde also das Herz einer Nation getroffen.

KNA: Sie haben dann eine Hilfsaktion gestartet.

Laschet: Ich habe am nächsten Tag mit mehreren großen Unternehmen in Nordrhein-Westfalen gesprochen. Ich fand, es sollte sichtbar werden bei der Rettung dieser Kirche, dass auch Deutschland Anteil genommen hat und seinen Teil dazu beiträgt. Dann haben wir zusammen mit der französischen Regierung überlegt, wie der deutsche Beitrag aussehen sollte – es sollte ein sichtbarer, symbolischer Beitrag sein. Im persönlichen Austausch mit Präsident Macron haben wir uns auf die Kirchenfenster geeinigt.

KNA: Das übernahm dann die Dombauhütte des Kölner Doms. Als damaliger nordrhein-westfälischer Ministerpräsident boten sie zusammen mit der ehemaligen Kölner Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner ihre Hilfe an.

Laschet: Dass man einverstanden war in Frankreich, vier große beschädigte Fenster der Kathedrale in der Kölner Dombauhütte restaurieren zu lassen, ist ein großer Schritt europäischer Zusammenarbeit gewesen. Das nenne ich europäisches Vertrauen.

KNA: Wenn nun eine Kathedrale in Krakau oder in Tallin gebrannt hätte – hätten Sie da das gleiche Engagement aufgebracht?

Laschet: Ich glaube, das ist schon etwas anderes. Wenn man von unserem gemeinsamen karolingischen Erbe her denkt: Frankreich und Deutschland waren engstens, unter Karl dem Großen sogar in einem Land verbunden. Das steht doch für Kerneuropa. Natürlich wäre so ein Kirchenbrand in Krakau genauso schrecklich, aber einfach weiter entfernt als Notre-Dame.

Die Wawel-Kathedrale in Krakau ist das geistige und historische Herz Polens. Sie war über Jahrhunderte die Krönungsstätte polnischer Könige, nationale Nekropole und ein Symbol der polnischen Identität. Ein vergleichbarer Brand wäre genauso schrecklich.

Bei Notre-Dame hatte ich nun als Ministerpräsident die Möglichkeit, direkt Hilfe zu organisieren. Wir konnten mit der Restaurierung der Fenster einen konkreten und kompetenten Beitrag leisten. Bei einem vergleichbaren Kirchenbrand in Krakau würde ich mir im Geiste des Weimarer Dreiecks ebenfalls ein solches Engagement wünschen.

KNA: Im Zweiten Weltkrieg haben viele unserer Kirchen gebrannt. Sind Deutsche bei lodernden Kirchen vielleicht deshalb mehr alarmiert als andere Länder?

Laschet: Es gibt die Bilder des zerstörten Köln von 1945, wo alles drumherum in Trümmern liegt, der Dom aber noch herausragte. Und in Aachen war das gleichermaßen so. Bei Notre-Dame drohte ja, dass die ganze Kirche einstürzt an diesem Abend. Damit wäre wirklich eine weit über Jahrhunderte alte Tradition verloren gegangen. Und deshalb war das Bangen so groß.

KNA: War für Sie klar, dass Notre-Dame genau wieder so erstehen soll wie vor dem Brand?

Laschet: Es gab in Frankreich eine ernste Diskussion, ob man die Kathedrale moderner gestaltet, vielleicht mit einer anderen Form des Daches. Und die Franzosen haben die Gabe – wenn Sie beispielsweise den Louvre und die Glaspyramide in dem Innenhof sehen – Modernität und Altes miteinander zu verbinden. Für Notre-Dame hätte ich das schrecklich gefunden.

KNA: Warum?

Laschet: Das ist nun ein wirklich historisch gewachsenes Gebäude, wo jede modernisierende Art fehl am Platze gewesen wäre. Der Gedanke ist dann auch sehr schnell verworfen worden. Und Experten versicherten mir, die Kirche würde im Inneren heller wirken, als sie vorher gewirkt hat. Aber auch das ist historisch, weil sie vor ein paar Jahrhunderten anders aussah, als nun gegen Ende vor dem Brand. Insofern ist man dem Geist des Gebäudes gerecht geworden.

KNA: War das Projekt auch als ein weiterer Meilenstein für die deutsch-französische Aussöhnung gedacht?

Laschet: Unbedingt. Frankreich legt vielleicht viel mehr als wir Wert auf Symbole. Und wenn man weiß, wie wichtig Notre-Dame für die Franzosen, ist – ob sie nun gläubig sind oder nicht, ob sie die Trennung von Staat und Kirche postulieren oder nicht – dann wird auch deutlich, wie wichtig es den Franzosen ist, dass Deutschland sich am Wiederaufbau beteiligt hat.

KNA: Sie selbst sind Christ. Haben Sie mal in Notre-Dame gebetet?

Laschet: Kirchen sind für mich ein wichtiger Ort, um zur Ruhe und Besinnung zu kommen. In Notre-Dame werden die Touristen diese Stille erstmal nicht zulassen. Dafür halte ich die kleinen Kirchen für geeigneter.

KNA: Die Kirchen geben immer mehr Gebäude auf, weil es an Gläubigen mangelt. Sollte der Staat diese Kirchen erhalten?

Laschet: Nein, das kann der Staat nicht. Er kann nicht Kirchen, die die Kirchen aufgeben, retten. Das ist nicht seine Aufgabe, und die Kirchen selbst zusammen mit dem Staat achten in Deutschland schon darauf, dass dort mit der Umwidmung zu säkularen Zwecken nicht Bars und Kneipen entstehen. Da sind manche europäische Länder leider etwas nachlässiger als wir.

KNA: Inwieweit spielt ihre Glaubensüberzeugung in Ihr politisches Handeln mit hinein?

Laschet: Es prägt natürlich mein Menschenbild und das Bewusstsein, dass alles, was wir machen, immer begrenzt ist. Als gläubiger Mensch erkenne ich umso mehr, dass ich nicht die perfekte Welt erschaffen kann. Das bremst auch den Übermut und unterscheidet uns von vielen Ideologien, die meistens schrecklich enden.

KNA: Spüren Sie in Politik und Gesellschaft eine gewisse Gottesferne?

Laschet: Ja. Das war mit Sicherheit früher anders. Bei Gründung der Bundesrepublik vor 75 Jahren gehörte über 95 Prozent der Bürgerinnen und Bürger einer der beiden christlichen Kirchen an. Wir liegen mittlerweile wahrscheinlich bei unter 50 Prozent an Kirchenmitgliedern. Und das spiegelt sich auch in der Politik wider, selbst in der CDU.

KNA: Kommen der Politik christliche Tugenden abhanden – wie Vergebung, Glaube, Liebe, Hoffnung?

Laschet: Ja, da geht vieles verloren. Das merken wir am Zusammenhalt der Gesellschaft, am mangelnden Respekt vor dem anderen. Es fehlt auch an Vergebung in der Art, wie wir uns mit uns auseinandersetzen. Da würde eine stärkere Besinnung auf christliche Werte die Gesellschaft sicher menschlicher machen. Bei anderen Religionen, insbesondere im Judentum und im Islam in Deutschland, leben viel mehr Menschen ihren Glauben bewusster. Wir Christen haben da eine Menge verloren. Wir brauchen wieder erkennbar mehr Selbstbewusstsein.