Beim Eintritt in den Raum scheint es, als würde die Zeit angehalten. Alles wirkt still und wie unter Asche begraben. Die 250 Quadratmeter große Installation „The Collector's House“ von Hans Op de Beeck ist ausschließlich in Schwarz, Weiß und Grautönen gestaltet. Nur die Besucher bringen Farbe in den sonst so eintönigen Raum.
Die neue Themenausstellung „Black & White. Von Dürer bis Eliasson“ im Museum Kunstpalast in Düsseldorf zeigt in insgesamt neun Kapiteln, warum Künstler über die Jahrhunderte bewusst auf Farbe verzichtet haben. Zu sehen sind rund 100 Arbeiten aus 700 Jahren, darunter Werke von Peter Paul Rubens, Rembrandt van Rijn, Pablo Picasso, Jackson Pollock, Gerhard Richter und Günther Uecker. Die Gründe, warum sie sich gegen farbige Pigmente entschieden haben, sind vielfältig.
Bis zum 16. Jahrhundert waren vor allem sakrale Motive ausschlaggebend. Die Strenge der kirchlichen Liturgie forderte im Mittelalter eine Konzentration auf Schwarz und Weiß. Besonders Mönche sahen in Farben einen ungewollten Reiz, der vom Gebet ablenkt. So wurde das großformatige Leinentuch „Christus am Ölberg“ (1538) aus Genua eigens für die durch Buße und Trauer bestimmte Fastenzeit gefertigt, um damit farbige Kunstwerke zu verhüllen.
Unabhängig vom religiösen Kontext nutzten einige Künstler den Farbverzicht für ihre Studien zu Licht und Schatten. Mit ihren schwarz-weißen Werken untersuchten sie beispielsweise, wie Licht auf Stoffen und Figuren wirkt, um ihre eigentliche Komposition vorab zu planen. So bereitete Albrecht Dürer mit seiner „Studie zum Gewand Gottvaters“ (1508), einer dunkelgrauen bis weißen Vorzeichnung eines Gewandes, ein farbiges Gemälde vor.
Andere Künstler traten mit ihrer Malerei ohne Farben in den Wettstreit mit anderen Medien wie der Skulptur oder Fotografie. Sie schufen Gemälde, die die Erscheinung von Stein-Skulpturen nachahmten.
Auf Holztafeln oder Leinwänden entstanden großartige Trompe-l‘œil- Malereien (Bezeichnung der „das Auge täuschenden“ Malerei, Anmerkung der Redaktion), wie das monumentale Gemälde „Einführung des Kultes der Kybele in Rom“ (1505/06) des Renaissance-Malers Andrea Mantegna. Das Werk wirkt durch die perspektivische Darstellung der Figuren auf den ersten Blick wie ein dreidimensionales Relief.
In ähnlicher Weise veranlasste die Druckgrafik, aber auch die Erfindung der Fotografie seit dem frühen 19. Jahrhundert viele Künstler dazu, die Effekte dieser Medien zu imitieren oder mit ihnen zu konkurrieren. So stellt Edgar Degas in seinem Grisaille-Gemälde „Ballettprobe auf der Bühne“ (1874) eine Momentaufnahme dar, in der die unterschiedlichen Positionen und Haltungen der Tänzerinnen festgehalten werden. Der Gegenwartskünstler Gerhard Richter verwendete ein Foto der ermordeten Prostituierten Helga Matura als Grundlage für das Gemälde „Helga Matura mit Verlobtem“ (1966), das durch die malerische Verwischung der Abgebildeten wie eine unscharfe großformatige Fotografie wirkt.
Der Höhepunkt der Ausstellung erwartet den Besucher am Ende des Rundganges. In der Lichtinstallation „Room for one Colour“ von Olafur Eliasson wird jede Farbe bis auf Schwarz und Weiß unterdrückt. Durch das geschärfte Sehvermögen nimmt man eine Fülle von Grauschattierungen und Konturen wahr. Die Ausstellung ist bis zum 15. Juli in Düsseldorf zu sehen. Sie wurde von der National Gallery in London in Zusammenarbeit mit dem Museum Kunstpalast organisiert.
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Bunterwegs in der Grauzone
Warum verzichten Künstler über die Jahrhunderte hinweg bewusst auf Farben und bevorzugen Schwarz-Weiß? Eine Antwort auf diese Frage gibt die Schau „Black & White. Von Dürer bis Eliasson“ im Düsseldorfer Museum Kunstpalast

Stefan Arendt