Mit einem zweitägigen Fest hat der Bundesverband Contergangeschädigter am Samstag und Sonntag sein 60-jähriges Bestehen in Köln gefeiert. Die Eltern contergangeschädigter Kinder hätten Inklusion bereits gelebt, als noch niemand gewusst habe, was das überhaupt ist, erklärte der Vorsitzende des Bundesverbands Contergangeschädigter, Udo Herterich, zur Eröffnung am Samstag. Betroffene Eltern hatten die Selbsthilfeorganisation 1963 in Köln ins Leben gerufen.
Die Feier unter dem Titel „Meilensteine“ mit rund 500 Gästen, unter ihnen der ehemalige Bundesbehindertenbeauftragte Hubert Hüppe, mit Musik, Kunstausstellung und Filmvorführungen im Kölner Zoo würdige das Engagement der Gründerinnen und Gründer sowie die Unterstützung durch Freunde und Wegbegleiter aus Bildung, Politik, Wissenschaft und Forschung, hieß es. Im Rahmen der Feier berichteten Betroffene und ihre Familien aus ihrem Leben mit Contergan sowie der Mediziner Alexander Niecke über seine Erfahrungen aus der psychosomatisch-psychotherapeutischen Contergansprechstunde an der Uniklinik Köln
Mit der Gründung des Verbands wollten die Eltern der durch das Medikament geschädigten Kinder damals in Politik und Gesellschaft für deren Rechte eintreten, hieß es. Sie hätten bundesweit Reformen angestoßen, etwa die grundlegende Änderung des Arzneimittelgesetzes, die Entstehung von Schulen für Kinder mit Behinderung und Hilfsorganisationen wie die „Aktion Sorgenkind“, heute „Aktion Mensch“.
Das Pharmaunternehmen Grünenthal aus Stolberg bei Aachen hatte seit 1957 das rezeptfreie Schlaf- und Beruhigungsmittel Contergan vertrieben. Es stellte sich jedoch heraus, dass das Präparat ungeborene Kinder massiv schädigt, wenn es in der frühen Schwangerschaft eingenommen wird. Allein in Deutschland kamen durch das Präparat nach Angaben des Bundesverbands Contergangeschädigter rund 5.000 Kinder mit körperlichen Beeinträchtigungen wie verkürzten Gliedmaßen oder geschädigten inneren Organen auf die Welt. Es war der Wirkstoff Thalidomid, der Schädigungen beim Ungeborenen hervorruft. Schon eine einzige Tablette reichte dafür aus. 40 Prozent der Kinder starben noch im Säuglingsalter. Ende 1961 wurde das Mittel vom Markt genommen.
Am 31. Oktober 1972 wurde in Bonn das „Hilfswerk für behinderte Kinder“ ins Leben gerufen. Heute ist dies als Stiftung mit Sitz in Köln dem Bundesfamilienministerium zugeordnet. Das Stiftungskapital setzte sich zusammen aus 100 Millionen DM, die die Firma Grünenthal nach einem juristischen Vergleich zahlte, und dem gleichen Betrag aus dem Bundeshaushalt. Seit 1997 erfolgt die Zahlung der vielfach erhöhten Renten komplett vom Bund. Seit der vierten Gesetzesänderung im Jahr 2017 wird der spezifische Bedarf Geschädigter durch Pauschalzahlungen gedeckt. Vor allem körperliche Spätfolgen und Belastungen im Alter machen Contergan-Beschädigten zu schaffen.