Der Bundestag hat in einer Gedenkstunde an die Opfer des Zweiten Weltkriegs und an das Ende des Krieges erinnert. Dabei wurden auch sehr aktuelle Bezüge sichtbar.
In eindringlichen Worten haben deutsche Spitzenpolitiker 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs der Opfer gedacht. Zugleich würdigten sie am Donnerstag bei einer Gedenkstunde im Bundestag den 8. Mai 1945 als Tag der Befreiung und warnten vor Geschichtsvergessenheit. Deutliche Kritik übten Bundestagspräsidentin Julia Klöckner und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an Russland und den dort vorgesehenen Feierlichkeiten.
In seiner mehrfach von Applaus unterbrochenen Rede betonte Steinmeier: “Auch heute, 80 Jahre später, gilt unser tiefer Dank den alliierten Soldaten und den europäischen Widerstandsbewegungen, die das NS-Regime unter Aufbietung aller Kräfte und mit vielen, vielen Opfern bezwungen haben. Das vergessen wir nicht!” Amerikaner, Briten, Franzosen und viele andere hätten unter großen Opfern diesen Kampf geführt.
“Aber wir wissen auch, welchen Beitrag die Rote Armee dabei geleistet hat, Russen, Ukrainer, Weißrussen und alle, die in ihr gekämpft haben”, so Steinmeier. “Mindestens 13 Millionen dieser Soldaten und noch einmal ebenso viele Zivilisten verloren ihr Leben.” Die Rote Armee habe das Konzentrationslager Auschwitz befreit. “All das vergessen wir auch nicht. Aber gerade deshalb treten wir den heutigen Geschichtslügen des Kreml entschieden entgegen.”
Auch wenn dies am Freitag bei den Siegesfeiern in Moskau behauptet werden sollte: “Der Krieg gegen die Ukraine ist eben keine Fortsetzung des Kampfes gegen den Faschismus”, betonte Steinmeier. Wladimir Putins Feldzug gegen ein freies, demokratisches Land habe nichts gemein mit dem Kampf gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft im Zweiten Weltkrieg. Aus diesem Grunde sei Solidarität mit der Ukraine unabdingbar. “Ließen wir die Ukraine schutz- und wehrlos zurück, hieße das, meine Damen und Herren, die Lehren des 8. Mai zu verraten!”
An der Gedenkstunde nahmen die Spitzen der Verfassungsorgane teil. Auf der Tribüne verfolgten unter anderen der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, die Veranstaltung. Vertreter von Russland und Belarus sowie aus Venezuela, Iran, Myanmar, Nicaragua oder Nordkorea waren nicht eingeladen, wie die Pressestelle des Bundestags auf Anfrage im Vorfeld mitteilte.
Mit Blick auf den Mord an sechs Millionen Jüdinnen und Juden im “Dritten Reich” verurteilte Steinmeier jede Form von Antisemitismus. “Es ist unerträglich wenn sich Jüdinnen und Juden nicht mehr sicher fühlen in unserem Land.”
Ohne die AfD namentlich zu nennen, warnte das Staatsoberhaupt vor Geschichtsvergessenheit. Er selbst wundere sich manchmal über die Hartnäckigkeit, “mit der manche, leider auch in diesem Hause, einen sogenannten ‘Schlussstrich’ unter unsere Geschichte und unsere Verantwortung fordern”, so Steinmeier. “Flüchten wir nicht aus unserer Geschichte. Werfen wir ihre Lehren gerade dann nicht über Bord, wenn sie uns etwas abverlangen.”