Wie umgehen mit der neuen Regierung in Syrien? Das ist ein schmaler Grat. Die Bundesregierung sagt Unterstützung zu – aber nur zu bestimmten Bedingungen.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und der Sonderkoordinator der Bundesregierung für Syrien, Tobias Lindner (beide Grüne), stellen Syrien Hilfe in Aussicht, wollen sie aber an bestimmte Bedingungen knüpfen.
Lindner sagte am Samstag im Deutschlandfunk, die Bundesregierung sei bereit, die Führung der HTS-Miliz beim Wiederaufbau des Landes zu unterstützen, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben seien. Dazu zählte Lindner die Frage der Menschenrechte, insbesondere der Frauenrechte, religiöse Freiheit für alle Syrer sowie die Bildung einer zivilen Regierung und eine neue Verfassung.
Lindner betonte, es gebe bereits funktionierende Kanäle nach Damaskus, um sich ein Bild der Lage vor Ort zu machen. Neben weiteren Besuchen sei zudem langfristig die Wiedereröffnung der deutschen Botschaft in der Hauptstadt geplant.
In Syrien hatten vor rund vier Wochen Kämpfer unter der Führung der islamistischen HTS-Miliz den bisherigen Machthaber Assad gestürzt, der nach Russland floh. Lindner war am Freitag gemeinsam mit Außenministerin Baerbock zu ersten Gesprächen nach Damaskus gereist. Baerbock und ihr französischer Amtskollege Jean-Noël Barrot waren als erste EU-Außenminister von der neuen Führung in Syrien empfangen worden. Vor dem Treffen hatten sie das ehemalige Folter-Gefängnis Saidnaya besichtigt. Es gilt als Symbol für die Gewaltherrschaft des gestürzten Assad-Regimes.
Baerbock erklärte dazu am Freitagabend in den ARD-Tagesthemen, man müsse die Unterstützung der neuen Regierung davon abhängig machen, wie sie mit Frauen- und Minderheitenrechten umgehe. Einerseits gebe es die große Hoffnung, dass nach den Jahren des Bürgerkrieges endlich Freiheit für alle möglich sei. Auf der anderen Seite gebe es die Sorge, “dass diese Freiheit und die Hoffnung vielleicht doch wieder zerplatzt, gerade für Frauen”. Islamistische Strukturen sollten nicht gefördert werden.
Im Übergangsprozess müssten alle Minderheiten wie Drusen, Alawiten und vor allen Dingen Kurden integriert werden. Insbesondere die Frage der Frauenrechte sei entscheidend, so Baerbock: Würden diese mit Füßen getreten werden, dann sei niemand frei, sondern es folge die nächste Unterdrückung. Zwar habe es positive Signale gegeben, zum Beispiel, dass die Zentralbankchefin eine Frau sei. “Auf der anderen Seite gab es dann wieder Äußerungen, dass Frauen manche Tätigkeiten nicht tun konnten.”
Zuvor hatte Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) auf rasche Hilfen zur Stabilisierung Syriens gedrängt. “Es geht darum, die jetzt bestehende Chance einer Stabilisierung Syriens zu nutzen und deshalb zu unterstützen”, sagte sie der “Rheinischen Post” (Samstag). “Das ist eine Voraussetzung dafür, dass syrische Flüchtlinge wieder in ihre Heimat zurückkehren werden können.”
Schulze betonte, weite Teile des Landes seien nach fast 14 Jahren Bürgerkrieg zerstört. 90 Prozent der Bevölkerung lebten in Armut und seien auf Hilfe angewiesen. “Nur wenn in Syrien Kinder in die Schulen gehen können, und die Menschen etwas zu essen und ein Einkommen haben, kann sich die Übergangsphase positiv entwickeln.”
Schulze hatte am Montag mitgeteilt, dass die Bundesregierung trotz der unsicheren politischen Lage in Syrien mehrere Hilfsprojekte mit einem Gesamtvolumen von 60 Millionen Euro in Auftrag gegeben habe. Konkret sollen demnach etwa 25 Millionen Euro an das UN-Kinderhilfswerk Unicef fließen, das sich unter anderem um die Instandsetzung von Schulen kümmert. Zudem soll mit dem Geld die psycho-soziale Betreuung von traumatisierten Kindern finanziert werden. Mit 6 Millionen Euro wird außerdem ein Projekt der Hilfsorganisation Arche Nova unterstützt, die Schulen für rund 3.000 Kinder und Jugendliche betreibt. Weitere 19 Millionen Euro sollen an die UN-Entwicklungsorganisation UNDP gehen, die insbesondere für Binnenvertriebene Kurzzeitjobs organisiert, etwa bei der Beseitigung von Müll und Trümmern.