Kant bedeutet schwere Kost. Wer das Werk des großen Philosophen verstehen will, braucht viel Geduld und Gehirnschmalz. Zum 300. Geburtstag des Aufklärers unternimmt die Bundeskunsthalle eine Annäherung.
Immanuel Kants Werke sind kompliziert und hölzern geschrieben. Und doch gilt der Königsberger als einer der bedeutendsten Philosophen weltweit. Zu seinem 300. Geburtstag am 22. April lädt die Bundeskunsthalle in Bonn zu einer umfassenden Ausstellung über das Leben und Werk des großen Denkers (1724-1804). Die zentrale These: Kants Denken hat das Denken der Welt verändert. Man kommt nicht an ihm vorbei – auch heute nicht.
“Kant führt vor, wie man das Denken lernen kann”, sagte Bundeskunsthallen-Intendantin Eva Kraus am Donnerstag bei einer Pressekonferenz. Doch wie gestaltet man eine spannende Ausstellung, die auch noch Jugendliche und philosophisch nicht geschulte Menschen interessieren soll, wenn das Denken Kants komplex und für heutige Leser teilweise schwer verständlich ist?
Die Ausstellungsmacher verfolgen zwei Spuren, um sich dem Philosophen zu nähern: Sein durch wenige Quellen belegtes Privatleben lässt sich anhand einer Wände füllenden Graphic Novel der Künstlerin Antje Herzog nachverfolgen – inklusive kleiner und teilweise witziger Alltagsanekdoten. Erzählt wird, Kant habe ein penibel geordnetes Leben geführt und einen streng geregelten, minütlich getakteten Tagesablauf eingehalten.
Die Ausstellung präsentiert ihn allerdings auch als eloquenten Gastgeber und Redner sowie hervorragenden Billardspieler. Allerdings war er offenbar auch ein etwas schrulliger Einzelgänger mit zahlreichen Eigenarten: Weil ihn das ständige Krähen eines Hahnes beim Denken störte, wechselte er die Wohnung. Zweimal erwog er eine Heirat, doch durch sein Zögern entschieden sich die Frauen anders.
Kant verbrachte fast sein ganzes Leben in der ostpreußischen Residenzstadt Königsberg – sein denkerisches Biotop, wie Kuratorin Agnieszka Lulinska betonte. An der dortigen Universität unterrichtete er unter anderem die Fächer Logik, Moralphilosophie sowie natürliche Theologie und Naturrecht. In der Ausstellung kann die barocke, 1944/45 durch Bomben komplett zerstörte Stadt virtuell besichtigt werden.
Gemälde, Schriften, wissenschaftliche Instrumente und physikalische Experimente und Karten illustrieren die Kernthemen der Aufklärung. Gegliedert ist die bis zum 17. März zu sehende Schau durch die vier zentralen Fragen, die Kants Denken umkreiste: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Und: Was ist der Mensch?
Besucher sind eingeladen, sich an Mitdenkstationen den zentralen Fragen der Kantschen Philosophie zu widmen. Kunstwerke, unter anderem von Rebecca Horn oder Joseph Beuys, bezeugen die Auseinandersetzung mit Kants Denken bis heute. Das gilt auch für sehr kritische Fragen, die den Denker in die Nähe von Rassismus und Kolonialismus rücken. An elf Exponaten – auch als Stolpersteine bezeichnet – wird darauf hingewiesen, dass Kant sich in seinen Schriften mehrfach abwertend über Juden und “unzivilisierte Völker” geäußert und außerdem Aktien aus dem Zuckerhandel erworben habe, der auf Sklavenarbeit beruhte.
“Es geht nicht darum, Kant auf den Sockel zu stellen, aber es geht auch nicht darum, ihn vom Sockel zu stoßen”, formulierte der Bonner Philosoph und Ausstellungskurator Thomas Ebers die Perspektive der Ausstellungsmacher. Der Philosoph müsse als Zeitgenosse ernst genommen werden. Seine Gedanken zu Erkenntnistheorie, Moral, Religion, Menschenwürde und zum Völkerrecht seien auch heute noch wegweisend.