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Buchtipp: In „Schwäbisches Capriccio“ strandet ein Lette im Schwabenland

Anšlavs Eglītis lässt seine Romanfigur, einen vor der sowjetischen Armee flüchtenden Apotheker, einen tragisch-komischen Kulturclash in einer schwäbischen Kleinstadt erleben.

„Schwäbisches Capriccio“ heißt das neue Buch von Anšlavs Eglītis
„Schwäbisches Capriccio“ heißt das neue Buch von Anšlavs EglītisFoto: Guggolz-Verlag

Aus Angst vor der sowjetischen Armee verlässt der Apotheker Peteris Drusts während des Zweiten Weltkriegs seine Heimat Lettland und flieht nach Berlin. Als er 1945 dort ausgebombt wird und sich die Rote Armee nähert, versucht er in die neutrale Schweiz zu kommen, strandet aber in der schwäbischen Kleinstadt Pfifferlingen. Aus der einen Nacht, die er dort bleiben will, werden vier Jahre. Danach gelingt ihm die Ausreise in die USA.

Auf der schwäbischen Alb gelten andere Regeln

In mehreren lose miteinander verbundenen Geschichten erzählt Autor Anšlavs Eglītis, der ein ähnliches Schicksal wie sein Held hatte, was der weltläufige Drusts in der behäbigen Stadt auf der Schwäbischen Alb erlebt, in der alles nach althergebrachten Regeln verläuft. Maßhalten scheint die wichtigste Eigenschaft der Pfifferlinger zu sein, Ordnung und Sauberkeit sind selbstverständlich einzuhalten. Alles, was Drusts erfährt, steht in Widerspruch zum quirligen unruhigen Leben, das er in Riga und selbst noch in Berlin gewohnt war. Aus diesem Widerspruch ergeben sich gelegentlich groteske Situationen.

Da, wo Ausländer als gefährlich gelten

Durch Drusts Langeweile, durch seine Perspektivlosigkeit und durch sein endloses Warten gerät sein Blick auf die biederen, misstrauischen und geizigen Pfiferlinger scharf. Er beschreibt, wie ein Haus abbrennt, das hätte gerettet werden können, wenn die Besitzer und die Feuerwehr schneller und besonnener gehandelt hätten, statt umständlich alle Maßnahmen zu besprechen. Ausländer gelten als gefährlich, selbst wenn sie so harmlos sind wie Drusts. Die Pfifferlinger scheinen nie nach einem verborgenen Hintersinn zu suchen. Vielleicht, denkt Drusts, ist das einer der Gründe für ihr glückliches Leben.

Wie in großen Teilen Deutschlands hatte Hitler auch bei den misstrauischen und sturen Pfifferlingern nie so viele Gegner gehabt wie nach der Kapitulation. Die bleibende Fremdheit, die nie in Feindschaft ausartet, die Schilderung tragikomischer Situationen und der klare Stil machen das „Schwäbische Capriccio“ zu einer unterhalt­samen, dabei niemals oberflächlichen Lektüre.

Anšlavs Eglītis, Schwäbisches Capriccio, Guggolz-Verlag