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Bosnien-Herzegowinas Politiker leben von ethnischen Spannungen

30 Jahre nach Kriegsende stehen die Zeichen in Bosnien-Herzegowina wieder auf Konflikt. Verantwortlich sind politische Eliten, die Bosniaken, Serben und Kroaten gegeneinander ausspielen. Das zeigten die vergangenen Tage.

“In Bosnien-Herzegowina überlebt die Politik nicht, indem sie Probleme löst, sondern indem sie Probleme schafft”, sagt Dragan Bursac. Der Journalist in der Regionalhauptstadt Banja Luka prangert regelmäßig die Missstände in seinem Heimatland an, von Korruption bis Nationalismus. Dafür erhielt er in der Vergangenheit auch schon Morddrohungen. Stoff für seine kritischen Kolumnen lieferte in den vergangenen Tagen vor allem der bosnische Serbenführer Milorad Dodik. Er hat mit seinen Sezessionsbestrebungen eine Staatskrise in Bosnien-Herzegowina ausgelöst.

Am Mittwoch hatte die Staatsanwaltschaft in der Hauptstadt Sarajevo die Verhaftung Dodiks sowie des Ministerpräsidenten der Republika Srpska (RS), Radovan Viskovic, und deren Parlamentspräsidenten Nenad Stevandic angeordnet. Der Führung der überwiegend von ethnischen Serben bewohnten Teilrepublik wird vorgeworfen, mit ihren jüngsten Vorstößen die Verfassungsordnung in dem EU-Beitrittskandidatenland verletzt zu haben.

Vorige Woche hatten sie per Gesetz die bosnische Justiz und Polizei aus der RS verbannt. Es war die Antwort auf ein Gerichtsurteil gegen Dodik: Der Srpska-Präsident war erst in der Vorwoche zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden, weil er die Anweisungen des Hohen UN-Repräsentanten Christian Schmidt missachtet hatte.

Er ist der Hüter des Dayton-Abkommens. Der Friedensvertrag hatte die ethnischen Kämpfe und Massaker beendet, die zwischen 1992 und 1995 mehr als 100.000 Tote forderten. Diese Woche kam die nächste Warnung aus dem Büro des deutschen UN-Diplomaten: Eine “ernste Gefahr” und klare Verletzung des Friedensabkommens sei die neue Verfassung, die Dodik für seine Serben-Teilrepublik plant.

Der Entwurf des neuen Grundgesetzes definiert die Srpska als Serbenstaat – mit Recht auf “Selbstbestimmung” und eine eigene Armee. Auch eine Allianz mit Serbien würde demnach möglich. Zudem sieht ein paralleles Gesetz die Schaffung einer Sonderjustiz vor. Diese würde alle bestrafen, die weiter im Sinne des bosnischen Zentralstaats handeln. Am Donnerstagabend wurden die Entwürfe unter Ausschluss der Opposition im RS-Parlament durchgewunken. Eine finale Abstimmung über die umstrittene Verfassung steht laut örtlichen Medien noch aus.

Unterdessen setzt Dodik auf Spaltung: Der Haftbefehl gegen ihn sei ein Schlag gegen das gesamte serbische Volk. Mit Blick auf die bosniakische Bevölkerungsmehrheit prangerte er das “muslimische Unterfangen” an, das ihn, den Schutzherren der orthodoxen Serben in Bosnien-Herzegowina, ins Gefängnis stecken wolle.

Journalist Bursac erinnert die Rhetorik an jene in den 1990er Jahren. Damals zerbrach Jugoslawien in seine nationalen Einzelteile, wobei es mitten in Europa zu einem Blutbad kam. Einen Unterschied gebe es aber: “Damals diente der Nationalismus dazu, die Macht zu erlangen und auszuweiten. Heute ist er ein verzweifeltes Mittel, sich um jeden Preis an der Macht zu halten.” Dodik fürchtet laut seinen Kritikern um ein Imperium, das auf Vetternwirtschaft und Korruption gründe. Um dieses zu erhalten, sei er bereit, das “Schicksal von Millionen” aufs Spiel zu setzen, so Bursac.

Auch international ist die Sorge über eine erneute Eskalation auf dem Balkan groß – zumal Dodik auf die veränderte Weltordnung setzt: ein geschwächtes, abgelenktes Europa und eine US-Diplomatie, die Autokraten walten lässt. Jedoch könnte sich Dodik zu früh freuen. Darauf deutet etwa die Kritik von US-Außenminister Marco Rubio hin, der Dodik letzte Woche beschuldigte, “Sicherheit und Stabilität” seines Landes zu gefährden. Unterstützung für Bosnien-Herzegowinas “territoriale Unversehrtheit” äußerte auch NATO-Generalsekretär Mark Rutte bei einem Besuch in Sarajevo. Zudem stockte die EU-Mission EUFOR diese Woche ihre Truppen auf.

Eine Dauerlösung für Bosnien-Herzegowinas Probleme bietet diplomatisches oder militärisches Säbelrasseln freilich nicht. Davon ist auch Journalist Bursac überzeugt. Die Lösung seien die Bosnier selbst: “Sie müssen ein für alle Mal aufhören, jemanden zu wählen, der davon lebt, sie gegeneinander auszuspielen.”