An der Wand hängt ein großes Gemälde aus dem Jahre 1853, das die Familie des Postdirektors Siegmund Bacmeister zeigt. Auf dem Schoß der Mutter sitzt der zweijährige Sohn, der ein rötliches Kleid trägt, die Waden sind frei. Daneben kniet die vierjährige Schwester in einem blauen Kleid auf dem Boden. So werden Besucher am Eingang der neuen Sonderausstellung „Fashion for Kids. Kindermode im Zeitenwandel“ im Bomann-Museum Celle begrüßt.
Für Mädchen war die Farbe Blau mit Bezug auf die blau gewandete Jungfrau Maria vorgesehen, während bei kleinen Jungen Kleidchen in Rosé oder Pink üblich waren, abgeleitet von der Farbe Rot als Symbol für männliche Stärke. „Da auch die Frisur sehr ähnlich war, ist das Geschlecht kleiner Kinder auf Bildern aus dieser Zeit oft nur an typischem Spielzeug als Beigabe wie etwa Puppen zu erkennen“, erklärt die Kuratorin Kathrin Panne.
Matrosenanzug für Patrioten
Rund 80 Garnituren für Mädchen und Jungen aus zwei Jahrhunderten werden auf einer Fläche von 140 Quadratmetern gezeigt. Deutlich wird: Kindermode gab es anfangs gar nicht – Kinder wurden so angezogen wie Erwachsene, nur alles ein paar Nummern kleiner. Und sie wurden lange Zeit „in Form gebracht“. Schon bei Säuglingen sowie bei Mädchen und Jungen wurden die Körper eingeschnürt, damit sie „gerade“ wuchsen. Zu sehen ist zum Beispiel eine kleine Miederjacke aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die aus einem Damenmieder umgearbeitet wurde.
Erst mit dem Bewusstsein, dass Kinder andere Bedürfnisse als Erwachsene haben und Bewegungsfreiheit zum Spielen brauchen, wurden bequeme Hängekleidchen und kurze Hosen populär. Der Matrosenanzug für Jungen und Mädchen erfreute sich bei patriotisch gesinnten Eltern großer Beliebtheit, als die deutsche Flotte im Kaiserreich massiv ausgebaut wurde.
Dass es unterschiedliche Vorstellungen zwischen Kindern und Eltern über Kleidungsfragen auch schon früher gab, macht ein Zitat von Viktor Mann (1890-1949), dem jüngeren Bruder von Thomas und Heinrich Mann, deutlich: „Mein Unwille stieg sehr, als man mir einen neuen Original-Kieler-Matrosenanzug anprobierte: weiße Bluse, weiße lange Hose, die ich besonders hasste, und eine ganz kurze blaue Überjacke mit goldenen Knöpfen. Dazu eine bebänderte Mütze mit der Goldschrift ‚Kaiserliche Matrosendivision‘.“
Schülermützen nur für große Jungs
In einer Vitrine liegt eine Erstausstattung aus den 40er-Jahren: Die übliche Farbe war Beige, später angebrachte Monogramme in Blau (Junge) und Rosa (Mädchen) markierten das Geschlecht – dass sich die Zuordnung der Farben hier im Vergleich zu früher umgekehrt hat, bleibt unkommentiert. Diese Praxis änderte sich erst, als Eltern schon vor der Geburt erfahren konnten, ob sie weiblichen oder männlichen Nachwuchs bekommen.
Vielfach werden für den sonntäglichen Kirchgang, die Konfirmation oder andere besondere Anlässe hergestellte historische Kleider und Anzüge präsentiert. So ist das Taufkleid zu sehen, das der kleine Franz Carl aus der Celler Kerzenfabrikantenfamilie Guizetti 1808 trug. Es besteht aus einem weißen Überkleid und einem rosa Unterrock und ist aus Baumwolle und Seidenband gefertigt. „Bei Alltagskleidung ist das Problem, dass sie von der Mehrheit so lange getragen wurde, bis sie verschlissen war. Davon gibt es kaum Exemplare“, sagt Panne. Stattdessen werden also zum Beispiel 100 Jahre alte Fotos von Mädchen und Jungen gezeigt, die mit einfachen Schürzen bekleidet sind.
Auch soziale Unterschiede werden nicht verschwiegen: Schülermützen etwa waren in der Kaiserzeit und danach Jungen an weiterführenden Schulen vorbehalten.