Politikverdruss und die Verstärkung bestehender Geschlechterrollen: Die Corona-Pandemie hat Spuren hinterlassen. Fünf Jahre nach dem Ausbruch zieht die Hans-Böckler-Stiftung Bilanz.
Die Corona-Pandemie war nach Auffassung der Hans-Böckler-Stiftung ein ungeahnter Härtetest für den Zusammenhalt in Deutschland. “Sie hat unter anderem die Stärken, aber auch Schwächen des Sozialstaats offengelegt”, erklärte die wissenschaftliche Direktorin des stiftungseigenen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts, Bettina Kohlrausch, am Montag in Düsseldorf. Mit weiteren Forschern hat sie rund fünf Jahre nach Beginn der Pandemie eine Studie veröffentlicht – unter dem Titel “Was von Corona übrig bleibt. Erwerbsarbeit, Sozialstruktur, gesellschaftliche Folgen”.
Nach Ansicht von Kohlrausch hat zwar die staatliche Unterstützung viele Menschen vor schweren wirtschaftlichen Verlusten bewahrt. “Doch oft wurden ohnehin Benachteiligte überproportional belastet, bekannte Lücken in der sozialen Sicherung traten besonders deutlich zutage, Armut hat sich verfestigt.” Die Effekte seien noch durch den späteren Ausbruch des Ukrainekrieges und die Inflationswelle verstärkt worden. Diese fünfjährige “Polykrise” habe in Teilen der Bevölkerung zu einem Vertrauensverlust in die Politik geführt. “Dies könnte die gravierendste und nachhaltigste soziale Folge der Pandemie sein.”
Eine der zentralen Lehren aus der Pandemie ist für die Forscherin, dass der Sozialstaat auf den Schutz des sogenannten Normalarbeitsverhältnisses ausgerichtet ist. Personen in Vollzeitbeschäftigungen seien etwa mit dem Kurzarbeitergeld relativ gut geschützt worden – anders als Menschen in anderen Arbeitsformen. “Das galt vor allem für unbezahlte Sorgearbeit, die in erster Linie von Frauen geleistet wird und, so scheint es, gar nicht richtig als Arbeit anerkannt wurde”, so Kohlrausch. Als weitere Beispiele nannte sie geringfügig Beschäftigte und Selbstständige.
Eine weitere Erkenntnis der Analyse der gewerkschaftsnahen Stiftung belegt, dass Männer und Frauen ihre Arbeitszeiten in der Pandemie im Durchschnitt gleich viel reduzierten, Mütter aber stärker als Väter. Ein Grund sei ein Zuwachs an Sorgearbeit, etwa durch die Schließung von Kitas und Schulen. Das verdeutliche, dass die Pandemie bestehende Geschlechterrollen nicht habe aufbrechen können.