„Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat.“ Dazu fordert Paulus die Menschen im Brief an die Römer auf. Den anderen annehmen – eine der größten Herausforderungen und oft schwer zu befolgen.
Da gibt es die engen Freundinnen. Jahrelang teilen sie Freud und Leid. Plötzlich will die eine nichts mehr von der anderen wissen. Es gibt den Ehemann, der von jetzt auf gleich seine Frau verlässt und sie bleibt ratlos zurück. Oder Kinder brechen den Kontakt zu ihren Eltern ab und die Eltern können sich nicht erklären, was dazu geführt hat (siehe Seite 12).
Das kann das Ergebnis sein, wenn jemand sich selbst nicht angenommen fühlt und andere nicht annehmen kann. Das zeigt sich dann oft daran, dass die Beteiligten nicht in der Lage sind miteinander zu reden. Sei es aus Angst vor Konflikten, der Befürchtung, nicht verstanden zu werden oder weil viele Versuche ins Leere gelaufen sind.
Wer den Kontakt abbricht, sieht keine Möglichkeit für ein klärendes Gespräch. Er kommt mit der Beziehung so, wie sie ist, nicht klar. Die Funkstille ist eine Art Bewältigungsversuch. Klar ist, dass das für beide Seiten schwer ist. Sowohl die Verlassenen leiden als auch die Kontaktabbrecher.
So eine Funkstille geschieht nicht aus heiterem Himmel. Oft reift der Gedanke über lange Zeit heran und irgendwann genügt eine Kleinigkeit als Auslöser. Viele Abbrecher meinen, sie hätten genug Zeichen gegeben, dass es soweit kommen kann. Sie wundern sich oft, dass der andere von ihrem Verhalten überrascht ist – so die Erfahrung von Tina Soliman. Die Autorin und Journalistin beschäftig sich seit vielen Jahren mit dem Thema Kontaktabbruch. Sie hat mit Betroffenen gesprochen und mehrere Bücher darüber geschrieben.
Sie warnt vor dem Schweigen und fordert zum Gespräch auf. Fehler, Verletzungen, Verhaltensmuster wiederholen sich, wenn nicht darüber geredet wird. Es gibt Familien mit einer regelrechten Abbruch-Tradition. Wenn das Muster nicht durchbrochen wird, kann es sich über Generationen hin wiederholen.
Es kostet Mut etwas anzusprechen, was einem wichtig ist. Schließlich besteht die Gefahr verletzt zu werden. Es könnte zu einem großen Streit ausarten. Und dennoch ist es in der Regel besser, die Dinge auszusprechen als in Schweigen zu versinken. Die wenigsten Menschen kommen damit klar, wenn sie nicht wissen, was den anderen dazu veranlasst hat, den Kontakt abzubrechen.
Hilfreich bei Gesprächen ist es, sich in den anderen hineinzuversetzen. Nicht nur auf der eigenen Sichtweise beharren, sondern zumindest versuchen, den anderen zu verstehen. Empfehlenswert ist außerdem, sich Hilfe zu holen von Fachleuten. Sei es in Beratungsstellen oder bei Therapeuten.
Den anderen annehmen – nicht alles entschuldigen, sondern ihn in seiner Andersartigkeit zu akzeptieren. Der Glaube an Gott kann dabei helfen – das Wissen: Ich bin bereits angenommen. Mit meinen Fehlern, Ecken und Kanten. Das kann Kraft geben.
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Bloß nicht schweigen
Es ist schwer auszuhalten, wenn jemand abtaucht und Funkstille herrscht. Doch manche Menschen wissen sich in schwierigen Beziehungen nicht anders zu helfen. Was tun?