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Bitte bete für mich

über den Predigttext zum 22. Sonntag nach Trinitatis: Philipper 1, 3-11

Predigttext
3 Ich danke meinem Gott, sooft ich euer gedenke – 4 was ich allezeit tue in allen meinen Gebeten für euch alle, und ich tue das Gebet mit Freuden –, 5 für eure Gemeinschaft am Evangelium vom ersten Tage an bis heute; 6 und ich bin darin guter Zuversicht, dass der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird‘s auch vollenden bis an den Tag Christi Jesu. (…) 9 Und ich bete darum, dass eure Liebe immer noch reicher werde an Erkenntnis und aller Erfahrung, 10 sodass ihr prüfen könnt, was das Beste sei, damit ihr lauter und unanstößig seid für den Tag Christi, 11 erfüllt mit Frucht der Gerechtigkeit durch Jesus Christus zur Ehre und zum Lobe Gottes.

 

Ja, ich bete und weiß, dass ich nie allein bin, nie verloren und verlassen. Ich glaube an Gott und Jesus“, bekennt die deutsche Pop-Legende Nena gegenüber einer großen Tageszeitung.
Nena fühlt sich in ihrem Glauben und in ihrem Gebet gerade durch schwere Lebenskrisen gefestigt – und sie spürt, was der Volksmund weiß: „Not lehrt beten!“ Natürlich ist was dran an dieser Weisheit. Immer wieder erlebt man, wie Menschen in gravierenden Notsituationen Gott anrufen. Und ihn um Hilfe bitten, weil sie spüren, dass nicht alles, was im Leben passiert, in der eigenen Hand liegt.
Das ist nichts Neues – schon in der Bibel haben Menschen in der Not das Gespräch mit Gott gesucht, haben um himmlische Hilfe gebeten. Auch ich kenne das aus ganz persönlichen Notsituationen. Nicht immer ist das Gebet lang und intensiv, manchmal ist es auch nur das kurze Stoßgebet, das zum Himmel geschickt wird. Und nicht immer muss es eine ausgeprägte Notsituation sein, die zum spontanen Beten führt: Allein die Angst vor der Not genügt zur Anregung des Gebets: Ich kenne es aus ärztlichen Behandlungszimmern, in den Minuten vor einer Diagnose. Oder in Sorge um meine Kinder, wenn sie zu spät von der Schule nach Hause kommen, sich nicht melden und wir nicht genau wissen, wo sie sind.
Und während manche das hinnehmen wie es ist, nämlich dass die Not beten lehrt, hat es für andere einen schlechten Klang: Wenn die Not beten lehrt, so habe ich es schon mehr als einmal gehört, dann scheint das Gebet des Dankes für das, was da ist, jedenfalls nicht selbstverständlich zu sein. Bitte: Ja. Danke: Nein. Arthur Schopenhauer stellt im 19. Jahrhundert fest: „Wir denken selten an das, was wir haben, aber immer an das, was uns fehlt.“ Und dazu passt, was in keinem großen zeitlichen Abstand Theodor Fontane sagt: „Die Not lehrt beten, sagt das Sprichwort, aber sie lehrt auch denken, und wer immer satt ist, der betet nicht viel und denkt nicht viel.“
Das mag alles sein – und doch stört es mich nicht, dass die Not das Beten lehrt. Für mich ist es entlastend, in der Not beten zu können: Es wirkt befreiend, dass ich immer einen Ansprechpartner habe. Einen, von dem ich weiß, dass er durch seinen Sohn erfahren hat, was es heißt, Mensch zu sein mit allen nur erdenklichen Nöten. Es tut gut, dass er da ist. In jeder Sekunde. Und passgenau auch dann Zeit hat, wenn mein Stoßgebet einen Empfänger sucht. Zu ihm kann ich kommen – auch mit solchen Nöten, die ich keinem Menschen sagen kann. Bei ihm ist alles gut aufgehoben, was mir im Gebet am Herzen liegt und durch den Kopf geht.
Und dann gibt es da noch eine ganz andere Not, für die es sich zu beten lohnt – die das Beten lehren kann: Es ist die Not der anderen. Wir haben das Fürbittengebet dafür. Zu jedem Gottesdienst gehört es: dass wir die Anderen in den Blick nehmen. Und ihre Not vor Gott bringen. Auch das Fürbittengebet gehört in die ewige Geschichte Gottes mit den Menschen. Dem Apostel Paulus war es nicht nur wichtig, anderer im Gebet zu gedenken. Ihm war es auch wichtig, davon zu erzählen.
Im Brief an die Philipper erzählt er der Gemeinde davon: „Ich danke meinem Gott, sooft ich euer gedenke, was ich allezeit tue in allen meinen Gebeten für euch alle, und ich tue das Gebet mit Freuden…“.
In seelsorglichen Begegnungen ist es keine Seltenheit, dass ein Mensch darum bittet, ins Fürbittengebet eingeschlossen zu werden. Und als in Bochum vor wenigen Wochen die Klinik Bergmannsheil in Flammen stand, da berichteten sogar die Lokalzeitungen, dass in den Fürbittengebeten der Kirchen der Verletzten und Opfer des verheerenden Brandes sowie der vielen Mitarbeitenden der Klinik und der Rettungsdienste gedacht wird.
Für viele ist das Gebet meist Privatsache. Warum eigentlich? Ich möchte mir an Paulus ein Beispiel nehmen, der öffentlich sagt: Ich bete für dich. Und der andere auch darum bittet, man möge ihn ins Gebet einschließen. Zweimal kann das dann hilfreich sein: im Gebet – und in der gegenseitigen liebevollen Zusicherung, dass man füreinander eintritt, auch und gerade vor Gott.