Brake, Kr. Wesermarsch. Für Orgelfans und Kirchenmusiker wäre es der Sensationsfund schlechthin: Ausgerechnet in der Taufkirche des berühmtesten Orgelbauers des norddeutschen Barock, Arp Schnitger (1648-1719), wollen Experten das weltweit erste bekannte Bildnis des außergewöhnlichen Instrumentenbauers entdeckt haben. "Ich bin mir zu 99 Prozent sicher, dass wir ihn endlich gefunden haben" sagt der Pastor und Kunstwissenschaftler Dietrich Diedrichs-Gottschalk. In der evangelischen St. Bartholomäuskirche in Golzwarden bei Brake an der Unterweser weist er auf eine Bildtafel an der Brüstung der Orgelempore hin. Sie zeigt vier musizierende Männer. Schnitger sei der Sänger in der Mitte. Darunter steht der Spruch "Mein Schall aufs Ewig weist".
Schnitger baute 1698 seiner Taufkirche inmitten der Wesermarsch eine Orgel zum Selbstkostenpreis, von der heute jedoch nur noch der Prospekt, also die Ansichtsseite des Instrumentes, erhalten ist. Auf der Rechnung von damals steht: "Weil ich in diesem Dorfe geboren und getauft bin, habe ich nicht mehr genommen, als es mich gekostet hat, nämlich 380 Taler."
Gegenleistung für Orgel "zum Selbstkostenpreis"
Als Gegenleistung mussten die damaligen Kirchenvorsteher Schnitger versprechen, ihn durch eine Inschrift oder eine bildliche Darstellung in der Kirche zu verewigen. Diedrichs-Gottschalk ist nun überzeugt, den Stradivari unter den Orgelbauern auf einer der 45 Bildtafeln des Malers Christoph Walzell identifiziert zu haben, die unmittelbar nach dem Orgelbau in den Jahren 1700 und 1701 entstanden sind. Schnitger muss in dieser Zeit häufiger in Golzwarden gewesen sein, um einige Nacharbeiten zu erledigen und die Orgel zu stimmen. "In dieser Zeit müssen sich die beiden begegnet sein", ist sich der Experte sicher. Dabei sei vermutlich das Bild entstanden.
Als weiteren Beleg verweist er auf Inschriften an der Orgelempore in Hollern im Alten Land bei Hamburg. Dort hatte Schnitger bereits 1690 eine Orgel gebaut. Die Inschriften in Hollern bezögen sich klar auf das Bild in Golzwarden mit den musizierenden Männern. Diedrichs-Gottschalk zufolge wird dort das musiktheologische Programm des damaligen Luthertums dargestellt. Schnitger stelle den Tenor dar, der für ein untadeliges Leben stehe.
Orgeln aus Hamburg für die Welt
Ein weiterer Hinweis sei die Schriftrolle in der rechten Hand des Orgelbaumeisters, die er auf dem Bild stolz in die Höhe reckt: Dabei müsse es sich um das 1699 vom dänischen König Friedrich IV. an Schnitger verliehene Privileg in der Doppelgrafschaft Oldenburg und Delmenhorst handeln, ist sich Diedrichs-Gottschalk sicher. Es garantierte Schnitger das Monopol, als Einziger Orgeln in den Grafschaften bauen und reparieren zu dürfen. Die Grafschaften gehörten damals durch Erbschaften zum dänischen Königsreich. Schnitger erhielt das Privileg als Gegenleistung für eine umfassende Orgelreparatur in der Oldenburger Lambertikirche, der er extrem günstig abgerechnet hatte.
Zu dieser Zeit war Schnitger bereits ein anerkannter Orgelbaumeister von europäischen Rang. Von Hamburg aus baute er Orgeln für den gesamten norddeutschen Raum, die Niederlande, später auch für Russland, England, Spanien und Portugal. Eine Schnitger-Orgel, die 1701 in Hamburg erbaut wurde, wird noch heute in der katholischen Catedral da Sé in Brasilien gespielt. Sein größtes Werk entstand in der Hamburger Kirche St. Nicolai mit mehr als 4.000 Pfeifen. Die Kirche wurde samt Orgel bei einem Feuer 1842 zerstört. Insgesamt baute er rund 170 Orgeln.
Vom Klang fasziniert
Heute bestehen nach Angaben von Experten noch rund 30 bespielbare Schnitger-Orgeln und 45 Orgel-Prospekte, die einen Eindruck von der Orgelkultur Nordeuropas in der Barockzeit vermitteln. Eine bekannte Schnitger-Orgel erklingt in der Hamburger Hauptkirche St. Jakobi. Die Orgel in Oederquart bei Stade wird gerade saniert, eine weiteres Exemplar in Neuenfelde bei Hamburg wird ebenfalls auf Vordermann gebracht und soll im Juni eingeweiht werden.
Musiker sind noch immer fasziniert vom Klang der Instrumente. Sie loben durchgängig das harmonische Verhältnis von Grund- und Obertönen sowie die unterschiedlichsten Charaktere der Flöten, die nach ihrem Urteil zu einer erstaunlichen Klangfülle verschmelzen.
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