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Beschäftigte sollen mehr für Pflegeversicherung zahlen

Die Pflegekassen stehen vor dem wirtschaftlichen Kollaps. Nun soll der Beitrag zur Pflegeversicherung erneut steigen. Angedacht sind 0,2 Prozentpunkte. Laut Gesundheitsminister ist das ausreichend.

Die wirtschaftliche Schieflage der Pflegeversicherung soll durch höhere Beiträge behoben werden. Ab 2025 soll der Beitragssatz um 0,2 Prozentpunkte steigen. Das kündigte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Freitag in Berlin an. Für Rentnerinnen und Rentner gelte der höhere Beitrag ab Juli 2025, so Lauterbach weiter. Die Erhöhung des Beitragssatzes per Verordnung ab Januar reiche für das ganze Jahr. Die Zustimmung des Bundesrats steht noch aus. Der Bundestag könnte widersprechen. Er rechne aber nicht damit, bekräftigte der Minister.

Diese Maßnahme sei unmittelbar und dringend nötig, so Lauterbach. Andernfalls gerieten bereits Anfang 2025 einige Pflegekassen in “sehr schwieriges wirtschaftliches Fahrwasser”. Hintergrund für die finanzielle Schieflage der Kassen seien höhere Löhne in der Pflege, mehr Personal aufgrund des besseren Versorgungsschlüssels sowie eine stark steigende Zahl Pflegebedürftiger. Für das nächste Jahr würden erneut 350.000 zusätzliche Pflegebedürftige erwartet – auch infolge der Umstellung auf die fünf Pflegegrade.

Der Beitragssatz zur Pflegeversicherung wird damit binnen weniger Monate zum zweiten Mal erhöht. Der Beitrag wird von Arbeitgeber und Arbeitnehmer anteilig übernommen, im Regelfall etwa hälftig. Bereits im Juli hatte es einen Anstieg von 3,05 auf 3,4 Prozent gegeben. Für Kinderlose ab 23 Jahren gibt es einen Zuschlag von derzeit 0,6 Prozent, vor Juli waren es noch 0,35 Prozent. Beschäftigte mit mehreren Kindern erhalten Abschläge.

“Das Ganze zeigt, dass wir dringend eine Pflegereform brauchen”, so Lauterbach weiter. Andernfalls drohten die Eigenanteile der Pflegebedürftigen unbezahlbar hoch zu werden. Die Eckpunkte der Reform seien weitestgehend fertig. “Ich hätte sie sehr gerne noch mit der Ampel beschlossen. Jetzt müssen wir nach neuen Lösungen suchen.” Dennoch müsse die Pflegereform unmittelbar nach Eröffnung der neuen Legislaturperioden mit anderen Mehrheiten kommen. “Sonst läuft uns die Zeit weg”, so Lauterbach.

Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen hält die Lösung für kurzsichtig und “sozial unausgeglichen”. “Wieder einmal soll das Problem durch einen Griff in das Portemonnaie Beitragszahlerinnen und Beitragszahler gelöst werden. Eine Erhöhung des Beitragssatzes um 0,2 Prozentpunkte verschafft lediglich eine Atempause, löst aber für das nächste Jahr nicht das grundsätzliche Finanzierungsproblem in der Pflege”, sagte die Vorstandsvorsitzende Doris Pfeiffer.

Der Bund müsse endlich die Mehrbelastungen ausgleichen, die “ungerechtfertigt aus dem Topf der Pflegeversicherung, also durch Beitragsmittel bezahlt wurden”. Das seien insbesondere die rund 5,3 Milliarden Euro Sonderausgaben während der Corona-Pandemie.

Auch die Stiftung Patientenschutz hält die Lösung für falsch. “Pflegebedürftige tragen die Folgen dafür, dass eine nachhaltige Reform von der amtierenden Bundesregierung nicht frühzeitig angegangen wurde. Für die Betroffenen läuft jetzt finanziell alles aus dem Ruder”, beklagte Vorstand Eugen Brysch. Millionen Menschen würden im Stich gelassen. “Die Betroffenen brauchen jetzt unverzüglich einen Bundestag und eine Bundesregierung, die entscheidungsfähig sind.”