Kurz vor einer geplanten Anhörung zu einem Gesetzentwurf für eine Liberalisierung der Abtreibungsregeln reißt die Kritik daran nicht ab. Die katholischen Bischöfe bemängelten, dass der Entwurf den Schutz des ungeborenen Kindes deutlich zurücknehme. Auch der von katholischen Laien gegründete Verein Donum vitae sieht eine “entscheidende” Abschwächung des Schutzes des ungeborenen Lebens. Die Anhörung soll am Montag im Rechtsausschuss stattfinden. Zu einer Abstimmung vor der Bundestagswahl dürfte es nicht mehr kommen.
“Der vorgelegte Gesetzentwurf betont zu Recht die grundrechtliche Stellung der Frau”, heißt es in der Stellungnahme des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing. Das Leben des Ungeborenen könne ohne die Mutter nicht geschützt werden, dürfe aber nicht ignoriert werden. Der Gesetzentwurf verhalte sich zu der grundrechtlichen Position des Kindes aber nicht ausdrücklich. “Stattdessen werden das vollgültige Lebensrecht des Kindes von Anfang an und die ihm zukommende Menschenwürde infrage gestellt.”
Abtreibung: Bischöfe kritisieren geplanten Gesetzentwurf
Die Bischöfe sehen eine “eklatante Gefahr, dass bei Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs ein abgestuftes Konzept der Schutzwürdigkeit menschlichen Lebens in die Gesetzgebung Eingang fände”. Das wäre aus ihrer Sicht ein hoch problematischer verfassungsrechtlicher Paradigmenwechsel mit Auswirkungen auf andere Rechtsbereiche. “Die mit unserem Grundgesetz verbundene und damit auch die Gesetzgebung und die Rechtsprechung bestimmende Ethik des menschlichen Lebens würde dadurch in höchst bedenklicher Weise umgestürzt.”
Außerdem wird kritisiert, dass eine Verortung im Strafrecht nahezu vollständig aufgegeben würde. Die Beratung der Schwangeren dürfte sich nicht mehr daran orientieren, zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen. Auch entfiele die dreitägige Wartefrist zwischen Beratung und Abtreibung.
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“Der vorliegende Gesetzentwurf nimmt einen grundlegenden Paradigmenwechsel hin zu einem abgestuften Lebensschutzkonzept vor”, heißt es in einem Brief, der vom Bundesvorsitzenden von Donum vitae, Olaf Tyllack, unterzeichnet ist. Das geltende Schutz- und Beratungskonzept habe sich bewährt und werde seit Jahrzehnten als tragfähiges Verfahren in der Gesellschaft breit akzeptiert.
“Es trägt dem Recht der ungewollt Schwangeren, eine freie und zugleich verantwortliche, informierte und gewissenhafte Entscheidung zu treffen ebenso Rechnung wie dem Recht des Ungeborenen auf Schutz seiner Menschenwürde und seines Lebens”, so Tyllack. Zugleich verpflichte es schon jetzt den Staat, für Frauen, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden, eine gute und ausreichende medizinische Versorgung zu gewährleisten.
Donum vitae von katholischen Laien gegründet
Der Verein Donum vitae (Geschenk des Lebens) ist 1999 von katholischen Laien nach dem Ausstieg der Bischöfe aus dem gesetzlichen System der Schwangerenkonfliktberatung gegründet worden. Katholische Beratungsstellen dürfen seitdem keine Beratungsscheine mehr ausstellen, die eine straffreie Abtreibung ermöglichen. Donum vitae dagegen stellt die Scheine auf Wunsch aus. Dahinter steckt die Überzeugung, nur bei ergebnisoffener Beratung Frauen in Konflikten überhaupt erreichen zu können.
Über den Gesetzentwurf wird kontrovers diskutiert. Am Donnerstag hatte sich auch das Katholische Büro erneut gegen eine Reform gestellt: Der Gesetzentwurf sei nahezu ausschließlich auf die Rechte der Frau fokussiert. Das zweite betroffene Rechtsgut, das Lebensrecht des ungeborenen Kindes und sein Schutz, auf den das Kind existenziell angewiesen sei, sei demgegenüber stark in den Hintergrund getreten und in dem Entwurf kaum noch auszumachen. Anders als die evangelische Kirche hatte sich die katholische Kirche mehrfach gegen eine Liberalisierung der Regelung ausgesprochen.
Abtreibung soll raus aus dem Strafgesetz
Kern des vor allem von Abgeordneten der SPD und der Grünen vorgelegten Reformentwurfs zur bisherigen Abtreibungsregelung ist es, Schwangerschaftsabbrüche aus dem Strafgesetz herauszunehmen. Abbrüche bis zur zwölften Woche sollen stattdessen “rechtmäßig und straffrei” sein und im Schwangerschaftskonfliktgesetz geregelt werden. Eine Beratungspflicht soll bleiben, allerdings ohne die derzeit geltende Wartezeit von drei Tagen bis zur Abtreibung. Die Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs sollen künftig von der Krankenkasse übernommen werden.
Derzeit sind in Deutschland Schwangerschaftsabbrüche laut Paragraf 218 des Strafgesetzbuchs rechtswidrig. Abtreibungen in den ersten zwölf Wochen bleiben aber straffrei, wenn die Frau sich zuvor beraten lässt. Ebenso straffrei bleibt der Eingriff aus medizinischen Gründen sowie nach einer Vergewaltigung. Um den in den 1990er Jahren erzielten Kompromiss wurde lange gerungen.