BIELEFELD – Der Glaube an das Evangelium macht Christinnen und Christen bereit, Verantwortung für die Welt zu übernehmen. Diese Weltoffenheit der Reformation stellte die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW), Annette Kurschus, in den Mittelpunkt ihres mündlichen Berichts vor der Landessynode der EKvW, die vom 14. bis 17. November in Bielefeld-Bethel zusammenkommt.
Die leitende Theologin betonte in diesem Zusammenhang: „Es passt kein noch so dünnes Blatt zwischen Frömmigkeit und gesellschaftliches Engagement.“ Die Befreiung durch die Botschaft des Evangeliums führe aus der Verengung heraus, die sich in der Gesellschaft durch Identitätssorgen und Verlustängste bemerkbar mache. Der Glaube weise in die Weite, zum nahen und fernen Nächsten, sagte Kurschus.
In den Medien, persönlichen Gesprächen und öffentlichen Diskussionen konstatierte Kurschus eine „Verengung in der Wahrnehmung und im Empfinden“. In Zerrbildern und Schablonen werde alles als Bedrohung definiert, was fremd ist. Sie betonte, dass sich der christliche Glaube nicht dazu eigne, „Identitätspolitiken“ zu untermauern. „Er ist gänzlich unbrauchbar für die selbsternannten Scharfschützen des ,christlichen Abendlandes‘“, so die Präses.
Ängste ernst zu nehmen bedeute, die Menschen ernst zu nehmen, die sie äußern, sagte Kurschus. Sie warnte jedoch davor, die gesellschaftliche Stimmungslage von Ängsten beherrschen zu lassen. Nicht Scheinlösungen seien nötig, sondern eine differenzierte Sicht auf die Wirklichkeit und eine Zumutung der Wahrheit. Teile der Gesellschaft täten sich mit der Erfahrung schwer, dass es neuerdings auch „normal“ sein soll, anders „normal“ zu sein, als man selbst „normal“ sei, formulierte Kurschus. Die Reformation nannte die Präses eine „Ressource, aus der heraus wir in den Angstdebatten gelassen und mutig unsere Stimme erheben können – und müssen“.
In diesem Zusammenhang bezeichnete die Präses die so genannte Flüchtlingskrise des vergangenen Jahres als Ende einer Lebenslüge. Die Wahrheit, mit denen die Migrantinnen und Migranten die Gesellschaft konfrontierten, sei die „himmelschreiende Ungleichheit und Ungerechtigkeit in der Verteilung von Lebenschancen“. Es gebe kein tragfähiges Argument, mit dem sich diese Zustände rechtfertigen ließen, sagte Kurschus. Durch geflüchtete und zugewanderte Menschen werde auch die Kirche sich verändern. Zur Landessynode 2018 kündigte sie eine Hauptvorlage zum Thema „Kirche in der Migrationsgesellschaft“ an (siehe Kommentar Seite 5).
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Befreit in die Welt wirken
In ihrem Bericht vor der Synode ging Präses Annette Kurschus auf die Grundlage des reformatorischen Glaubens ein
