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BDSM und Bondage – auch das gehört zur Kirche

Doch, es ist wahr: Auch Christinnen und Christen lieben auf verschiedene Weise: mit sadomasochistischen Neigungen oder polyamor – in einer Dreier-Beziehung. Besuch an besonderen Kirchentags-Ständen.

Masken und Peitschen gehören bei BDSM dazu (Symbolbild)
Masken und Peitschen gehören bei BDSM dazu (Symbolbild)Imago / Ipon

„Lieben, wen man will, lieben, wie viele man will, und lieben, wie man will“, sagt Petra vom ökumenischen Arbeitskreis BDSM und Christsein und schaut um sich auf die nächsten Stände. „Wir sind hier in einer guten Umgebung.“ Sie steht an ihrem Stand auf dem Kirchentag, gegenüber Schwulen und Lesben in der Kirche, direkt nebenan das Netzwerk polyamore Menschen und Kirche, Nepomuk.

„Ich habe einen Mann, der mit dem Kind hier ist und einen Mann, der gerade bei einer Bundeswehrübung ist“, sagt Leo vom Verein Nepomuk. Sie lebt in einer V-Beziehung, eine Frau, zwei Männer. Polyamore Beziehungen sind für viele Menschen noch schwer zu fassen, das monogame Modell ist tief in der Gesellschaft verankert. Das merkt sie bei den Fragen, die ihr an ihrem Stand auf dem Kirchentag gestellt werden. Hauptsächlich sind Menschen daran interessiert, wie man in einer Beziehung mit mehreren Liebenden den Alltag meistert.

Polyamor: Einfach nur mehr Sex?

Aber auch die Fragen, ob man nicht einfach nur mehr Sex will, sind dabei. Wie das mit der Eifersucht ist. Ob es nur offene Beziehungen sind oder feste Bindungen. Auch Misstrauen, ob Männer dann demnächst auch vier Frauen haben sollen oder ob man dann nicht auch Tiere heiraten könnten. Und vor allem, dass das nicht mit dem christlichen Glauben übereinstimmen würde.

Leo lebt mit zwei Männern
Leo lebt mit zwei MännernCarsten Goerig

„Viele der Argumente haben wir schon bei anderen queeren Themen gehört“, sagt ihre Vereinskollegin Sonja. Ob es um schwule Gruppen ging, um Queersein oder Transmenschen. Unbekannte Sexualität scheint vielen Menschen erst einmal Angst zu machen.

Dabei ist doch Gott der Inbegriff des polyamoreusen, sagt Leo mit einem Augenzwinkern. Schließlich liebt er alle Menschen. „Die Ehe hat sich seit biblischen Zeiten verändert“, ergänzt sie ernsthafter. „Im Grunde geht es doch darum, sich zu lieben und füreinander einzustehen.“ Auf verschiedenen Tafeln am Stand erklären sie grundlegende Fragen zu Sex, Eifersuch und den wichtigsten Begriffen.

Polyamore Christen wollen Kasualien

Das Netzwerk haben sie gegründet, weil polyamore Christen zwischen den Stühlen sitzen. In der Kirche werden sie wegen ihrer Lebens- und Liebensweise misstrauisch betrachtet, umgekehrt habe viele queere Menschen Probleme damit, dass sie christlich sind. Nepomuk soll für Verständnis sorgen und gleichzeitig dafür sorgen, sich nicht allein zu fühlen.

„Wir wünschen uns, dass es auch für uns Kasualien gibt“, sagt Leo. Sie möchte, dass ihre Beziehung gesegnet wird, irgendwann auch einmal eine Hochzeit möglich sein kann. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg.

Sadomaso in der Kirche: Wie geht das denn?

Mit Vorurteilen und Ängsten sieht sich auch der Arbeitskreis BDSM und Christsein immer wieder konfrontiert. Sadomasochistischer Sexualpräferenzen und Kirche? Wie geht das zusammen? Petra sieht da keinen Konflikt. „Ich bin von ganzem Herzen Christin, aber eben auch von ganzem Herzen BDSMlerin“, sagt Petra und strahlt. Zusammen mit anderen Mitgliedern des Vereins BDSM und Christsein klärt sie auf dem Markt der Möglichkeiten auf – über Sexualität, Sexualmoral und christlichen Glauben und Fragen wie welchen Umgang finden zwei Menschen miteinander in einer christlichen Ehe, wenn eine Person BDSM praktizieren möchte, der oder die Partnerin aber nicht.

 

Das Team vom Arbeitskreis BDSM und Christsein
Das Team vom Arbeitskreis BDSM und ChristseinCarsten Goerig

„Was passiert, wenn die Kirche Arbeitgeber ist und der Pastor traut sich nicht, das zu leben“, sagt Petra. „Für manche Menschen ist die Unterscheidung nicht leicht, dass das eine das Amt ist, das andere das, was das Paar miteinander macht.“ Der Arbeitskreis möchte aufklären und BDSM aus der Schmuddelecke rausholen, um ohne Diskriminierung offen zu den eigenen Neigungen zu stehen.

Auch Ortsgemeinden täten sich mit dem Thema BDSM teilweise noch schwerer, als in höheren kirchlichen Ebenen, sagt Petra. Sachliche Aufklärung und die ethische Einordnung sind da wichtig. „Bei uns geht es um Vertrauen, ums sich Fallenlassen um Demut, ums niederknien – ich sehe da ziemlich viele Parallelen zum christlichen Glauben.“

Der Stand von “BDSM und Christsein” ist in Halle 5, Stand M 6, auf dem Markt der Möglichkeiten. Das Netzwerk “polyamore Menschen und Kirche” ist ebenfalls in Halle 5, Stand L 6, vertreten.