Stress mit dem Chef, Mobbing bei der Arbeit oder dauerhafte Überstunden: Psychische Belastungen führen in Bayern immer häufiger zu Krankschreibungen. Experten warnen vor einem gefährlichen Teufelskreis für die Gesundheit.
Bayerns Beschäftigte waren 2024 so oft wegen Belastungsreaktionen und Anpassungsstörungen, also psychischen Reaktionen auf Stress oder belastende Situationen, krankgeschrieben wie nie zuvor: Aufgrund dieser Diagnosen seien auf 100 Arbeitnehmer im vergangenen Jahr 83 Fehltage gekommen, teilte die Kaufmännische Krankenkasse (KKH) am Mittwoch in Hannover mit. 2023 seien es nur 73,5 Tage gewesen, vor fünf Jahren nur 55. Das sei ein Anstieg um rund 50 Prozent. Im Bundesländervergleich liege Bayern damit etwa im deutschlandweiten Mittel (Anstieg von 51 Prozent).
Den größten Anstieg habe es in Schleswig-Holstein gegeben (71 Prozent), den geringsten in Rheinland-Pfalz (34 Prozent), so die Mitteilung. Im Vergleich der Fehltage liege Bayern mit 83 pro 100 Arbeitnehmern auf dem zweitletzten Platz vor Baden-Württemberg mit 81 Tagen. Die meisten Fehltage wegen Dauerstress, nämlich 176, gebe es im Saarland.
Belastungsreaktionen seien 2024 bundesländerübergreifend die häufigste psychische Diagnose bei Berufstätigen gewesen, heißt es weiter. Im Vergleich aller Krankschreibungsgründe liege der Dauerstress auf Platz drei. “Stress wird häufig als harmlose Begleiterscheinung des Alltags oder gar als Statussymbol in der heutigen Leistungsgesellschaft wahrgenommen”, heißt es. Dabei könne er ernste Folgen für die Gesundheit haben.
“Dauerstress gehört zu den wichtigsten vermeidbaren Risikofaktoren für Rückenbeschwerden, psychische Leiden und Herz-Kreislauf-Erkrankungen”, erklärte Arbeitspsychologin Antje Judick. Deshalb sei es wichtig, dass sowohl in Unternehmen als auch im privaten Umfeld Aufklärungsarbeit stattfinde. Psychische Belastungen und schlechte Angewohnheiten könnten einander bedingen: “Bei anhaltendem Stress nehmen wir häufig Verhaltensweisen an, die der Gesundheit zusätzlich schaden”, so Judick. “Wir bewegen uns oft weniger, essen mehr oder ernähren uns ungesünder, trinken mehr Alkohol. Es entsteht eine Art Teufelskreis.”