Die sieben Wochen vor Ostern gehen zu Ende und damit auch die Zeit der zahlreichen Aufführungen der berühmten zwei Passionsoratorien von Johann Sebastian Bach. Sie zählen fraglos zu den Ikonen evangelischer Kirchenmusik. Landauf, landab werden sie immer wieder aufgeführt und erfreuen sich, allem anderen kirchlichen Traditionsabbruch zum Trotz, großer Beliebtheit.
Aber es gibt da ein Problem: „Die Juden“ kommen in ihnen sehr schlecht weg. Sie werden als hinterlistig und schuldig verdammt, als blut- und rachsüchtig. Schaurige Höhepunkte sind der Chor „Sein Blut komme über uns und ihre Kinder“ in der Matthäuspassion oder die entfesselten „Kreuzige“-Rufe in der Johannespassion.
Judenverfolgung geht auf Kirchen- und Theologiegeschichte zurück
Der Vorwurf an die Juden, „Christusmörder“ zu sein, durchzieht von Beginn an die gesamte Kirchen- und Theologiegeschichte. Das ist ihr schlimmer Webfehler und die Quelle für die Verfolgung der Juden durch die Jahrtausende und letztlich auch die Massenvernichtung jüdischer Menschen in der Nazizeit. Erst nach 1945 wurde man sich dieser besonderen Schuld langsam bewusst und begann sie zu reflektieren.

Meist völlig unberührt sind davon allerdings die Bachpassionskonzerte samt ihrer judenfeindlichen Grundierung. Es bleibt die Ausnahme, dass im Zuge von Konzertprojekten dieses Problem mit flankierenden Veranstaltungen und sogar musikalischen Interventionen, wie jüngst in Verden geschehen. In diesem Zusammenhang regte Gerhard Wegner, Theologe und Antisemitismusbeauftragter der niedersächsischen Landesregierung, jetzt an, man sollte vorerst auf die Aufführung der Bachschen Passionen verzichten.
Bachschen Passionen sind wichtige Glaubenszeugnisse
Wäre das die Lösung? Wohl nicht. Denn die Bachschen Passionen gehören – ihrer Judenfeindschaft zum Trotz – zu den größten musikalischen Kunstwerken der Weltgeschichte, und sie sind für viele, besonders auch durch die Texte der Arien und Choräle, wichtige Glaubenszeugnisse.
Was aber könnte helfen? Auf jeden Fall sollte es keinerlei unkommentierte Aufführungen mehr geben. Das Problem, das vielen Bachliebhabern weiterhin nicht bewusst ist, muss bewusst gemacht werden. Dafür gibt es viele Wege. Einer wäre, es wie zu Bachs Zeiten zu machen: In beiden Passionen gibt es nach einem guten Drittel eine Pause, in der damals in Leipzig eine meist einstündige Predigt folgte.