Der Autorin und Essayistin Alice Hasters (34) gefällt der Begriff „Identitätspolitik“ nicht. Der Begriff der linken Identitätspolitik werde von Rechten so interpretiert, dass sie Identitäten und damit Menschen dadurch hierarchisierten, sagte Hasters dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Sie können sich nicht vorstellen, dass Menschen, die ihre Identität vertreten wollen, nicht sofort einen Machtanspruch haben, sondern lediglich einen Anspruch auf Gleichberechtigung.“ Zu fordern, dass Schwarze Menschen, Frauen oder queere Menschen repräsentiert werden, heiße nicht, dass andere Gruppen sich unterordnen sollten.
Die Diskurse bezögen sich derzeit sehr stark auf Identität und Identitätskämpfe: Rechten Kräften gehe es um ihre Identität. Der anderen Seite gehe es um die Frage, wie alle Menschen gut leben könnten. „Wir müssen bereit sein, Identitäten umzuinterpretieren und aufzugeben, wenn dadurch Menschen besser leben können“, betonte Hasters.
Jetzt gewinne mit der AfD eine Partei an Beliebtheit, die verspreche, dass sie eine Familie wieder als Gemeinschaft aus Mutter, Vater, Kind definiere, sodass man wieder wisse, „was ‘normal’ und was deutsch ist“. „Sie vereinfacht Identitäten“, sagte Hasters. Dadurch glaube die AfD, den Menschen wieder eine Richtung geben zu können, ihnen sagen zu können, wer sie seien. Es sei egal, ob das für andere Menschen Restriktion bedeute. „Hauptsache, das Krisengefühl ist gelindert.“
Doch die Realität verändere sich dadurch nicht. „Wir können so viele Grenzen dichtmachen, wie wir wollen, dann sterben dadurch Menschen. Dann geht die Geschichte, die wir uns erzählen, trotzdem nicht auf.“
Menschen wollten bei ihrer Identität bleiben. Die Klimakrise sei dafür ein gutes Beispiel: Menschen seien bereit, eine wissenschaftlich gut belegte, über Jahrzehnte dokumentierte Krise lieber infrage zu stellen, anstatt sich zu überlegen, wie sie sich ändern müssten. „Damit schützen sie ihr Selbstbild, das heißt, die Geschichte, die sie über sich erzählen, was ich als Identität definiere.“
Hasters wurde 2020 in der „Black Lives Matter“-Bewegung durch ihr Buch „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten“ bekannt, das schon 2019 erschien. In ihrem neuen Buch „Identitätskrise“, das am Montag erscheint, beschreibt sie, warum die Erzählung des Westens von Freiheit, Wohlstand und Gerechtigkeit nicht aufgeht.