Das eine Bild gefällt mir, das andere nicht. Es kann sein, dass auch schlechte Werke dabei sind, die ich mag.“ Mit diesem Eingeständnis lenkte kürzlich Jörg Nehse, ehrenamtlicher Leiter des Albert-König-Museums Unterlüß, bei der Eröffnung der Sonderausstellung „In rechtem Licht betrachtet“ den Blick auf die dort präsentierten Gemälde. Der Untertitel zeigt, worum es in den Räumen des Kunstmuseums geht, das dem Maler und Grafiker Albert König (1881-1944) gewidmet ist: „Woran man gute und schlechte Bilder erkennt.“
Die Kuratorin Dietrun Otten hat zu diesem Zweck Gemälde von König, Ole West, Dirk Huisken, Günther Weißflog und Hugo-Friedrich Hartmann aus dem Museumsdepot unter besonderen Vorzeichen gesichtet: „Ich konnte mit Freude einmal Bilder auswählen, die schlecht sind – und die man normalerweise eher in der Schublade lässt.“
An den Wänden des Hauptausstellungsraums hängen Stillleben, Landschaftsbilder, Akte, Architekturdarstellungen, Tierporträts und weitere Motive nach besonderen Themen geordnet: Kontrast und Gegensätze, Motiv und Format, Farbverarbeitung und dritte Form.
Farbauswahl und Proportionen
Bei diesen Kriterien bezieht sich Otten auf den Maler Adolf Hölzel und seinen Aufsatz „Über Formen und Massenverteilung im Bilde“ von 1901, in dem er sich Gedanken über die Qualität eines Kunstwerks macht. Darin betont Hölzel, dass es zu den wichtigsten Grundsätzen gehöre, Gleichmäßigkeiten zu vermeiden und den Blick der Betrachtenden durch Gegensätze auf das Kunstwerk zu lenken. In der Ausstellung hat Otten Bilder nebeneinander platziert, die anschaulich diesen Unterschied illustrieren.
An anderer Stelle geht es um die Farbauswahl. Auf einem Bild ist ein Haus in orangem Farbton zu sehen, im Vordergrund stehen violette Pflanzen. Daneben hängt ein Stillleben mit einer weiß-blauen Blumenvase und gelben Blumen, die auf rotem Untergrund und vor einem violetten Hintergrund steht. Der erläuternde Text: „Maler von Blumenstillleben verbinden Grün, Violett und Orange häufig, da sie in der Natur oft vorkommen. Violett verbindet sich mit seinen Grundfarben Rot und Blau nicht harmonisch, dagegen erscheint die Kombination von Violett und Orange natürlich.“
Intensiver mit Künstler und Kunstwerk beschäftigen
Handelt es sich also bei dem Bild mit der Blumenvase automatisch um ein schlechtes Bild, denn möglicherweise wollte der Maler ja bewusst einen nicht-harmonischen Eindruck schaffen? „Um diese Frage zu klären, muss man sich intensiver mit dem Künstler und seinem Kunstwerk beschäftigen“, lautet die Antwort von Otten.
Auf der gegenüberliegenden Seite hängen zwei Aktbilder in rechteckigem Format nebeneinander. Auf dem einen Bild präsentiert der Maler eine liegende Frau, auf dem anderen eine sitzende Frau. Otten weist in ihrem Ausstellungstext darauf hin, dass das rechteckige Format nur für liegende Personen angemessen ist – für stehende oder sitzende Menschen eigene sich das Hochformat zur Darstellung der Proportionen besser.
Sich auf das eigene Gefühl verlassen
Manche Besuchenden lassen die meist in Paaren angeordneten Kunstwerke auf sich wirken, andere lesen sich erst den neben den Bildern angebrachten kurzen Text durch – zu groß scheint die Unsicherheit, sich auf das eigene Gefühl zu verlassen, und stark das Bedürfnis, Kriterien für die Bewertung an die Hand zu bekommen. Dabei ermutigt Otten: „Man muss nicht studiert haben oder Kunstexpertise haben, um sich selber ein Urteil zu erlauben. Und man sollte unbedingt dem Herzen folgen, unabhängig von der künstlerischen Qualität.“
Die Ausstellung schafft es, dass Besuchende miteinander ins Gespräch darüber kommen, was sie als schön, unpassend, langweilig, anregend, ungewöhnlich oder faszinierend an Kunstwerken finden. Dabei können die in der Ausstellung präsentierten Kriterien für jeden eine andere Rolle spielen und gleichzeitig Anregungen geben, um Gemälde bewusster zu betrachten. Ein gelungenes Beispiel dafür, wie sich ein ländlich gelegenes Kunstmuseum auch für Menschen interessant macht, die sich von Heidelandschaften auf Leinwänden nicht gerade angezogen fühlen.
Die Ausstellung läuft bis 26. Mai, Di-So 14.30-17.30 Uhr. Mehr Infos: www.albertkoenigmuseum.de