Berlin/Köln/Stuttgart – In sieben deutschen Städten sind Zehntausende Gegner der geplanten Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada, TTIP und Ceta, auf die Straße gegangen. In Berlin kamen nach Organisatorenangaben rund 70 000 Menschen zusammen, in Hamburg etwa 65 000 und in Köln 55 000. Deutschlandweit hätten 320 000 Demonstranten gefordert, dass die Bundesregierung endlich die Notbremse ziehe und das Nein der Bürgerinnen und Bürge zu Ceta und TTIP respektiere, erklärten die Organisatoren. Die Polizei zählte insgesamt rund 190 000 Teilnehmer. Weitere Demonstrationen unter dem Motto „Ceta und TTIP stoppen! – Für einen gerechteren Welthandel“ fanden laut den Organisatoren in Frankfurt am Main mit 50 000 Teilnehmern, Stuttgart (40 000), München (25 000) und Leipzig (15 000) statt.
Beide Abkommen schafften eine konzernfreundliche Paralleljustiz, erklärten die Organisatoren. Sie seien eine Gefahr für die Demokratie, für Sozial- und Umweltstandards und die öffentliche Daseinsvorsorge. Die SPD hat sich bei ihrem Parteikonvent mit deutlicher Mehrheit für das Abkommen ausgesprochen und damit Partei-Chef Sigmar Gabriel den Rücken gestärkt.
Die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Hamburg, Katja Karger, forderte auf der Kundgebung hingegen Veränderungen bei Ceta. „Wir brauchen eine Handelspolitik, die Beschäftigte, Verbraucher und die Bevölkerung in den Mittelpunkt stellt.“
Der Protest von Christen gegen die Freihandelsabkommen TTIP und Ceta wird nach den Worten des badischen Landesbischofs, Jochen Cornelius-Bundschuh, von einer Vision angetrieben. Es sei keine Verweigerung, sondern der Wille, Globalisierung gerechter zu gestalten, sagte der Bischof als Vertreter der evangelischen und katholischen Kirchen in Baden-Württemberg auf der Demonstration in Stuttgart. Zu der Vision gehöre, dass eine zukunftsfähige globale Handelspolitik Gerechtigkeit und Menschenwürde für alle anstrebe. Die Abkommen Ceta und TTIP mit Kanada und den USA jedoch vertieften die Gräben „zwischen denen, die sich fast alles leisten können, und jenen Menschen, die täglich um ihr Überleben kämpfen“. Die Kirchen lehnen dem Theologen zufolge deshalb die Abkommen so lange ab, bis sie der Überprüfung standhalten, ein menschenwürdiges Leben für alle Menschen zu fördern und die Armut und die Ungleichheit zwischen Nord und Süd zu verringern.
Zu den Demonstrationen hatte ein Bündnis von rund 30 Organisationen aufgerufen, darunter Verbraucher- und Umweltschutzinitiativen, Gewerkschaften, Sozialverbände, Kirchen und entwicklungspolitische Initiativen. Sie hatten bundesweit 250 000 Teilnehmer erwartet. Auch in Österreich und Schweden demonstrierten Tausende in mehreren Städten gegen die Freihandelsabkommen.
EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström kritisierte die Gegner der Abkommen scharf. „Viele TTIP-Gegner halten es mit der Wahrheit und den Fakten nicht so genau“, sagte die Schwedin der „Bild“-Zeitung. „Es entspricht einfach nicht der Realität, wenn behauptet wird, dass die Verhandlungen völlig undurchsichtig seien. Dies sind die transparentesten Handelsgespräche aller Zeiten!“ Auch werde TTIP keine Umweltstandards senken oder die Demokratie aushöhlen, betonte Malmström.
BDI-Präsident Ulrich Grillo erklärte, ein Scheitern von TTIP und Ceta wäre ein schwerer Rückschlag für Europa und alles andere „als der Sieg einer aufgeklärten Protestbewegung“. „Wir Europäer hätten damit bewiesen, dass wir nicht willens sind, gemeinsam Regeln zu entwickeln, die den Welthandel fairer und besser machen.“ Wer mit dem Status quo der Globalisierung nicht zufrieden sei, solle sie konstruktiv begleiten, statt ihre Abschaffung zu predigen.
In Köln startete das Bündnis „NRW gegen Ceta und TTIP“, dem mehr als 40 Verbände und Initiativen angehören, eine Volksinitiative gegen die Abkommen. Sollten mindestens 66 322 Unterschriften zusammenkommen, müsse sich der Landtag mit der Forderung befassen, im Bundesrat gegen Ceta und TTIP zu stimmen.
Das Ceta (Comprehensive Economic and Trade Agreement) der EU mit Kanada soll bereits im Oktober von beiden Seiten unterzeichnet und danach von den nationalen Parlamenten ratifiziert werden. Es gilt als Blaupause für das ebenfalls umstrittene TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership), das seit 2013 verhandelt wird. Ziel von TTIP ist die Schaffung der weltweit größten Freihandelszone. Produkt- und Arbeitsstandards sollen harmonisiert und Wettbewerbsregulierungen abgebaut werden. epd/UK
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Aufmarsch der Vorstopper
Hunderttausende Teilnehmer bei Großdemonstrationen in deutschen Großstädten gegen geplante Handelsverträge der EU mit den USA (Ceta) und Kanada (TTIP)

Rolf Zoellner