Ein wenig sieht es aus wie in einem Kino: Orangefarbene Schalensitze und ein blauer Richtertisch, hinter dem auf Leinwänden Gerichtszeichnungen zu sehen und Tonbandmitschnitte zu hören sind. Dieses Mobiliar, diese Bilder und Worte machten Geschichte: Unter dem Titel: „Stammheim 1975 – Der RAF-Prozess“ gibt das Haus der Geschichte Baden-Württemberg in Stuttgart in einer Ausstellung Einblicke in eines der spektakulärsten Strafverfahren in der Geschichte der Bundesrepublik. Vom 6. April bis zum 14. September 2025 können Besucher den „Baader-Meinhof-Prozess“ in Stuttgart-Stammheim gegen Terroristinnen und Terroristen der Roten Armee Fraktion (RAF) nacherleben, der vor rund 50 Jahren begann.
Ziel sei, einen vertieften Einblick in den Prozess zu bekommen, sagte Ausstellungsleiter Rainer Schimpf am Donnerstag bei einem Mediengespräch. Wichtige Protagonisten im Prozess und die Auseinandersetzungen vor Gericht werden in einer 12-minütigen Präsentation auf drei Leinwänden in Ton und Bild vorgestellt.
Laut der Kuratorin der Ausstellung, Sabrina Müller, polarisiert dieser Prozess und man sei leicht dazu geneigt, Partei zu ergreifen für das Gericht oder die Angeklagten. Doch das wolle die Ausstellung bewusst nicht machen. Ein Gerichtssaal sei eine Bühne, und die Wortwechsel vor Gericht hielten sich an eine bestimmte Ordnung. „Doch was passiert, wenn sich die Angeklagten nicht an die Ordnung halten?“
Bei dem zwei Jahre dauernden Prozess entstanden 13.000 Prozessblätter und 826 Tonbänder, die mitliefen, um Wortlautprotokolle anfertigen zu können. Die meisten der Bänder wurden überschrieben. „Aber es ist kein Zufall, dass 21 Tonbänder erhalten blieben“, sagt Müller. Einer der Protokollanten habe diese Tonbänder mit insgesamt 12 Stunden Aufnahmezeit zur Seite genommen, weil sie ihm historisch bedeutsam erschienen.
Oft heftige Wortwechsel zwischen den Gerichtsparteien sind auf den Bändern zu hören. Es gibt Beleidigungen wie: „Du imperialistisches Staatsschwein“ (Ulrike Meinhof), dann wird wieder der Angeklagte Andreas Baader unter Protest abgeführt, der Richter begründet dies mit Störung.
In der Ausstellung, die sich auf zwei Räume verteilt, ist neben dem Gerichtsmobiliar auch eine Holzregalwand mit 40 Monitoren aus der Überwachungszentrale zu sehen. Auf drei Monitoren werden ähnliche Bilder gezeigt, wie sie damals durch Überwachungskameras entstanden, oder Filmsequenzen, die die Polizei beispielsweise von der Ankunft von Gefangenen gemacht hatte. Die Monitore und andere Objekte sicherte das Haus der Geschichte 2023 vor dem Abriss des Gerichtsgebäudes in Stuttgart-Stammheim, das offiziell „Mehrzweckgebäude“ hieß.
In dem eigens für den Prozess errichteten, hochgesicherten Gebäude neben der Justizvollzugsanstalt Stammheim begann am 21. Mai 1975 der Prozess gegen Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof und Jan-Carl Raspe. Die RAF hatte im Mai 1972 Sprengstoffanschläge verübt, bei denen vier Menschen starben und viele verletzt wurden.
Dieses Gerichtsgebäude habe vor allem zwei Funktionen gehabt, so Ausstellungsleiter Schimpf: Es sollte Sicherheit schaffen und nüchtern wirken. „Natürlich ist Stammheim der Inbegriff für totale Überwachung. Zudem wurde das Gebäude auch als Gerichtssaal der Zukunft angesehen.“
Bei einer Vertiefungsstation können auf Tablets Fernsehberichte aus der damaligen Zeit angeschaut werden. Außerdem gibt es Informationen über die Gewaltaktionen der RAF, die mit dem Prozess verknüpft sind, ebenso wie weitere Tonaufnahmen aus dem Prozess.
Das Oberlandesgericht Stuttgart verurteilte die Angeklagten am 28. April 1977 wegen Mordes, versuchten Mordes und Sprengstoffanschlägen zu lebenslangen Freiheitsstrafen. Die RAF versuchte vergeblich, sie mit Gewalttaten und weiteren Morden freizupressen. Alle Angeklagten nahmen sich im Gefängnis das Leben, noch bevor das Urteil rechtskräftig wurde.