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Auf die Straße!

Am 23. September ruft die Bewegung Fridays for Future wieder zum globalen Klimastreik auf

Warum es dringend notwendig ist, dass in ganz Deutschland und der ganzen Welt hunderttausende Jugendliche und Erwachsene für mehr Klimaschutz und eine lebenswerte Zukunft auf die Straße gehen.

Von Nasrin Büttner und Yvonne Berlin

Letzte Woche kam das 11-jährige Grundschulkind geknickt vom Projekttag am heimischen See. Es geht in die 6. Klasse und weiß ziemlich genau über die Klimakatastrophe Bescheid. „Stell dir vor, unser See hat schon 30 Zentimeter Wasser verloren. Wenn es so weitergeht mit der Trockenheit, ist er in 10 Jahren verschwunden.“ Frustriert fügt es hinzu: „Olaf Scholz ist das ja egal, der macht ja nichts.“

In jenen Momenten sind wir als Eltern oft hilflos. Wir wollen unsere Kinder trösten, sie auch in Zukunft behütet und wohlbehalten wissen, ihnen sagen, dass wir alles tun, um das Schlimmste zu verhindern und dass wir es schaffen werden. 

Und dennoch: Weder unser ­familiäres Engagement noch das unserer kleinen Klimagerechtigkeitsgruppen vor Ort (Fridays, Parents, Scientists, Christians … for Future) können den völlig unzu­reichenden, mutlosen Maßnahmen der Politik genug entgegensetzen, um die gefährliche Erderhitzung zu stoppen. Vielen Eltern und ­Aktivist:innen kommen dabei die Tränen. Der See, in dem schon die Großelterngeneration badete, könnte im nächsten Jahrzehnt ­austrocknen. 

Wo bleibt der Aufschrei, wenn Gottes Schöpfung in unserer direkten Nähe in Gefahr ist? Geopfert für vermeintlichen Wohlstand, für asphaltierte Straßen, für angewöhnte Bequemlichkeit? Warum fühlen noch zu wenige den Schmerz über die Zerstörung, die wir Menschen Gottes Mitschöpfung antun? Wann begreifen wir, dass die Zer­störung von Naturräumen auf uns selbst zurückfallen wird? Wann tun wir das Nötige, um die Klimakatastrophe einzudämmen, die 1,5-Grad-Grenze nicht zu überschreiten?

Ja, wir erleben gerade einen neuen Krisenmodus. Die Krisen überlagern sich, kommen nicht mehr geordnet – mit Atempausen zur Erholung – nacheinander. Klima, Corona, der russische Angriffskrieg  – alles gleichzeitig, alles zu viel. Dazu kommen die Sorgen vieler Menschen mit geringem Einkommen in Anbetracht der gestiegenen Lebensmittel- und Energiepreise, sich ausreichend gesundes Essen oder genügend warme Wohnungen leisten zu können. Nach dem Auslaufen des 9-Euro-Tickets haben wir wieder weniger Möglichkeiten, uns preiswert und umweltfreundlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu bewegen. Das Anschlussticket kommt wohl – deutlich teurer – frühestens im Januar. 

Dabei bedingen sich all diese ­Krisen gegenseitig. Wir können sie auch nur gemeinsam lösen, indem wir die Klima- und Gerechtigkeitsfrage immer mitdenken. Für uns Christ:innen heißt das, Nächstenliebe, Gerechtigkeit und die Rettung der Mitschöpfung zum alles bestimmenden Thema zu machen – und zwar nicht nur in einer Fürbitte. 

Wir sind gefragt, Haltung zu ­zeigen – und uns auf die Seite der Schwächsten, der Jüngsten, der Schutzbefohlenen zu stellen. Über unseren Glauben können wir ­einander stärken und sollten als Christ:innen die Ersten auf der Straße mit Fridays for Future (FFF) sein. Wenn wir das Psalmwort „Der Herr schafft Gerechtigkeit und Recht allen, die Unrecht leiden“ (103,6) ernstnehmen, dann können wir nur klar konstatieren: Die Kirche sollte sich lauter und deutlicher abgrenzen von bestimmten politischen Maßnahmen. Leider hat unsere Kirche seit Langem versäumt, sich politisch stärker einzumischen. 

Deutschland gehört mit zu den Hauptverursachern der Klimakrise. Das wird seit dem 24. Februar 2022 durch die angestrebte Erhöhung der Rüstungsausgaben von 2 Prozent des Bruttosozialprodukts verstärkt und es entsteht der Eindruck eines Rüstungswettlaufs. Stattdessen sollte ein sofortiges Umsteuern ­dieser Mittel für die Beseitigung der Klimafolgeschäden gerade auch im Hinblick auf die bevorstehende Weltklimakonferenz im November in Ägypten verlangt werden – auch von der Kirche.

Der Aufbau eines Klimanotfonds, in dem maximal 0,5 Prozent für ­Rüstung veranschlagt würde, kann eine zielführende Idee sein. Und mögen wir alle den Hürden der ­bevorstehenden kalten Jahreszeit in solidarischer Nächstenliebe mit viel Herzenswärme unvoreingenommen begegnen; ganz im Sinne von Johannes 12,46: „Ich bin als Licht in die Welt gekommen, auf dass, wer an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibe.“

Um 11.45 Uhr treffen sich Interessierte aller Glaubensgemeinschaften in Berlin Mitte am Schwarzen Weg/Ecke Scharnhorststraße für einen gemeinsamen ­Demonstrationsblock. Alle Streikorte unter: www.klima-streik.org/

Die EKBO und ihr Umweltbüro rufen zur Teilnahme an den regional stattfindenden Klimastreiks auf. Sie laden  auch dazu ein, am 23. September um 18 Uhr die Glocken den Kirchen für die Bewahrung der Schöpfung zu läuten, um damit zu einer Klima­andacht oder ­einem Klima- und ­Friedensgebet ­einzuladen. Infos unter www.fridaysforfuture.de/klimastreik/

Materialien für Andachten und Gebete auf der „Church for Future“-Seite unter: www.ekbo.de/wir/umwelt-klimaschutz/themen-projekte/church-for-future.html

Yvonne Berlin ­engagiert sich bei „Christians for Future“ in Berlin. 

Nasrin Büttner ­engagiert sich bei „Parents for Future“ Oberhavel und bei „Christians for Future“ Brandenburg. Sie ist Mitarbeiterin bei Brot für die Welt.