“Auf der Adamant” ist eine Doku über den kreativen Ansatz einer Pariser Tagesklinik für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen.
In Zusammenarbeit mit filmdienst.de und der Katholischen Filmkommission gibt die KNA Tipps zu besonderen TV-Filmen:
Die Adamant ist eine auf der Seine schwimmende Pariser Tagesklinik für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen. Regisseur Nicolas Philibert widmet sich in seinem Dokumentarfilm über diese Einrichtung – dem ersten Teil einer Trilogie über psychiatrische Einrichtungen und den Umgang mit psychischen Krankheiten – dem von kreativen Therapieansätzen bestimmten Klinikalltag.
Im Zentrum des Films steht das Gespräch. Ein zugewandtes, wenn auch mitunter etwas idealisierendes Porträt, das das Miteinander von Menschen mit und ohne Beeinträchtigung zeigt – auf Augenhöhe und abseits der administrativen Mühlen eines Gesundheitswesens, in dem das Individuum oft nicht mehr gesehen wird. “Auf der Adamant” wurde bei der Berlinale 2023 mit dem “Goldenen Bären” ausgezeichnet; der sehenswerte Film entstand in Zusammenarbeit mit der Psychoanalytikerin Linda de Zitta.
Wie eine Schachtel, die etwas Kostbares beherbergt, faltet sich die “Adamant” allmorgendlich auf. Die 2010 eröffnete Tagesklinik für psychisch beeinträchtigte Menschen liegt am rechten Seine-Ufer vor Anker. Sobald die hölzernen Fensterverschläge des zweistöckigen Schiffs nach oben gefahren sind, treffen die ersten Patientinnen und Patienten ein, um hier ihren Tag zu verbringen.
Der Dokumentarist Nicolas Philibert interessiert sich in seiner filmischen Arbeit seit jeher für das Miteinander von Menschen und Menschen in Institutionen. Sein Blick gilt nicht dem Systemtypischen, sondern jenen Körperschaften, die im Rahmen der institutionellen Möglichkeiten das Menschliche ins Zentrum stellen. Seine jüngste Arbeit “Auf der Adamant” – bei der Berlinale 2023 mit dem “Goldenen Bären” ausgezeichnet – entstand in Zusammenarbeit mit der Psychoanalytikerin Linda de Zitta.
Jeden Morgen wird auf der Adamant in versammelter Runde über das Tagesprogramm abgestimmt. In der Obhut des medizinischen Fachpersonals sollen die Menschen vor allem zu kreativen Arbeiten angeleitet werden. Es wird gemalt, gezeichnet, genäht, gekocht, Musik gemacht und ein Filmclub betrieben, zudem gibt es ein gemeinschaftlich betriebenes Cafe. Wer betreut und wer betreut wird, ist nicht immer auf den ersten Blick auszumachen.
Philibert folgt keinem strengen Konzept und einer nur losen Dramaturgie. Seine Beobachterposition ist nicht nur wegen der begrenzten Räumlichkeiten unweigerlich teilnehmend. Gleich am Anfang fragt eine Patientin neugierig nach dem Namen von Regisseur und Kameramann und verwickelt beide in ein Gespräch, bevor sie von ihrer eigenen Geschichte zu erzählen beginnt.
Der möglicherweise im Raum stehenden Frage nach dem Zusammenhang von Psychiatrie und Film kommt ein Mann namens Francois zuvor: “Wir haben richtige Stars hier, besser als Filmschauspieler… Hier sitzen Schauspieler, die nicht merken, dass sie welche sind.”
Von den gegenwärtigen Lebensumständen der Menschen erfährt man wenig. Eine Frau, die Stimmen hörte, erzählt von ihrem bei einer Pflegefamilie untergebrachten Sohn, ein junger Mann berichtet über seine Sensibilität für Geräusche.
Philiberts Aufmerksamkeit gilt dem lebendigen Gespräch und dem Erzählen. Zwischen die Szenen montierte Einstellungen der Umgebung verorten die Institution in der Pariser Umgebung. Sie weisen auf eine Außenwelt hin, in der sich die schwimmende Tagesklinik ein wenig wie eine utopische Insel ausnimmt.
Auch wenn Philibert den Klinikalltag möglichst beiläufig einzufangen versucht, zieht es ihn doch immer wieder zu den charismatischen Künstlerfiguren. Der Maler, Musiker und Schriftsteller Frederic erregt bereits auf dem Weg zur Einrichtung die Aufmerksamkeit der Kamera; mit unter den Arm geklemmten dicken Mappen tritt er bedächtigen Schrittes durch die Eingangstür.
Schon früh hat er nach dem Vorbild von van Gogh zu malen begonnen, später kamen popkulturelle Einflüsse hinzu. Science-Fiction, Comics und Popmusik hätten ihn am Leben gehalten, sagt er; auch das Kino bedeutet ihm viel.
Philiberts Beobachtung eines zugewandten und offenen Psychiatriemodells lässt sich als ein Plädoyer für das Miteinander von Menschen mit und ohne Beeinträchtigung verstehen – auf Augenhöhe und abseits der administrativen Mühlen eines Gesundheitswesens, in dem das Individuum oft nicht mehr gesehen wird. Wie schon in “Sein und Haben” tendiert Philiberts Blick dabei ein wenig zur Idealisierung.
Dass es in der Klinik zu Spannungen und Unzufriedenheiten kommt, wird bis zum Schluss aufgehoben. Umso leidenschaftlicher beschwert sich eine Patientin bei der Leitung über die Missachtung ihres Angebots, einen Tanzworkshop zu betreuen.