Artikel teilen

Auf den zweiten Blick

Über den Predigttext zu Palmsonntag: Philipper 2, 5-11

Predigttext
5 So seid nun untereinander gesinnt, wie es auch der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht: 6 Er, der göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, 7 sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt. 8 Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. 9 Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, 10 dass in dem Namen Jesu  sich beugen sollen all derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erden sind, 11 und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.

Hosianna! Jesus welcome! So rufen die Menschen Jesus zu, als er in Jerusalem einzieht. Sie schwenken Palmzweige und legen ihre Kleider auf den Boden. Sie machen Platz für ihn, treten beiseite.  Als sie aber mitbekommen, was er in Jerusalem macht, wie er den Tempel leerräumt, was er sagt und wie er wirkt, da rufen sie ein paar Tage später stattdessen: Kreuzigt ihn! Weg mit ihm!
 Kommt einem irgendwie bekannt vor, oder? Auch bei uns werden Menschen willkommen geheißen, doch es scheint, sobald sie uns vor Fragen stellen, sobald wir überlegen müssen, wo wir Raum schaffen, sobald Veränderungen auf uns zukommen in der Gesellschaft oder wo wir in unserem Verständnis und zu unseren Aufgaben als Christen angefragt werden, da ist es vielleicht doch besser, sie nicht mehr im Land zu haben. Oder nur die, von denen wir glauben, dass sie unser Ansehen stärken können.

Wir spielen uns als Herrscher auf

Wir spielen uns als die Herrscher auf, die wissen, was richtig ist und die das Sagen haben. Aber in der Bibel steht es anders. Da wird etwas anderes darüber gesagt, wie wir als Christen sein sollen.
Davon erzählt ein Lied. Der Philipperhymnus singt von Jesus. Er erzählt davon, dass Jesus, obwohl er Gottes Sohn war, das gar nicht in Anspruch genommen hat. Er ist wie wir Menschen geworden, aber er hat sich zu einem der niedrigsten Menschen gemacht. In dem Lied wird dafür das Beispiel des Knechts gewählt. Gott ist also bereit, in der Welt die niedrigste Position zu übernehmen. Das passt so gar nicht zu dem, wie wir immer sein wollen, was wir alles erreichen wollen. Jemandem dienen? Nein – sich bedienen zu lassen, das liegt uns oft näher. Die Menschen haben Jesus erst willkommen geheißen, weil sie erwarteten, dass der König kommt, dass er sich auch wie ein König verhält. Aber dass er dann auf die härteste Weise gezeigt hat, wie weit er in seiner Liebe zu uns geht, das hätte wohl keiner erwartet. Und so richtig begreifen wir es heute noch nicht.
Gott hat in Jesus gezeigt, so sagt es das Lied im Philipperbrief, dass wir es aufgeben müssen, so sein zu wollen wie Gott. Auch dass unser Leben unbedingt ein Kunstwerk werden muss – diese Vorstellung wird uns damit ebenso genommen. Die Botschaft ist vielmehr: Auch in einem fragmentarischen Leben kann Gott anwesend sein und es mit Sinn und Wert erfüllen. Und wir gestalten diese Welt nach seinem Willen, wenn wir uns so verhalten, als sei Gott im allergeringsten Menschen gegenwärtig.

Willkommen sein, wie wir sind

Und Gott verspricht uns, dass es eines Tages eine Auflösung des Ganzen geben wird: In der Bibel heißt es, der Erniedrigte wird erhöht, in seinem Namen sollen sich beugen „aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters“. Eines Tages wird es so sein, dass das Reich Gottes angebrochen ist, dass Menschen sich nicht mehr bekriegen, sich nicht gegenseitig abwerten. Vielmehr werden wir alle willkommen sein, so wie wir sind. Dieses Reich ist noch nicht da, aber es bricht sich dort Bahn, wo Menschen auf Gottes Weg vertrauen. Es bricht sich dort Bahn, wo wir unsere Ängste und Vorurteile überwinden und das ernst nehmen, was in den Erzählungen und Liedern von Jesus Christus berichtet wird: Dienen statt herrschen, sich dem anderen widmen, ohne sich vorher schon ein ganzes Bild gemacht zu haben. Nicht so sein zu wollen, wie Gott – allmächtig, allwissend.
 Jesus Christus hat es uns vorgemacht, wie das gehen kann. Machen wir es doch nach und heißen nicht nur diejenigen in unserem Leben willkommen, die wie Könige aussehen, sondern auch diejenigen, hinter denen sich vielleicht unsichtbar etwas Wertvolles versteckt.