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Atwood: Schreiben gegen die Unsicherheit der Welt

Menschenrechte, Armut, Klimawandel oder Populismus: Es sind zentrale Fragen des 21. Jahrhunderts, mit denen sich die kanadische Schriftstellerin Margaret Atwood in ihrem neuen Buch beschäftigt. In ihren Texten, die sie zwischen 2004 und 2021schrieb, versucht Atwood Antworten zu finden. „Brennende Fragen“ lautet auch der Titel ihres Werkes, das Mitte Oktober auf Deutsch im Berlin-Verlag erschienen ist.

Die Anschläge auf das World Trade Center und das Pentagon am 9. September 2001 hätten die Welt verändert. Vieles, was als sicher gegolten hatte, sei dadurch infrage gestellt worden, schreibt Atwood im Vorwort ihres Buches: „Furcht und Misstrauen bestimmten fortan das Leben.“ An diesem Punkt setzt ihr dritter Sammelband von Essays und anderen „Gelegenheitsarbeiten“ ein, wie sie es nennt.

Sie befasst sich mit der Klimakrise und fragt „Verbrennt die Welt sich buchstäblich selbst?“. Auch die „eklatante Ungleichverteilung von Arm und Reich“, der Erhalt von Demokratie, Freiheit und Gleichberechtigung treiben die international bekannte Autorin um. Zu diesen Themen bezieht sie auch leidenschaftlich Stellung auf der Internet-Plattform X, vormals Twitter, wo sie mehr als zwei Millionen Anhänger hat.

In 60 Essays behandelt sie scharfsinnig und witzig auch Themen wie Schönheit, Feminismus, die MeToo-Bewegung oder die Corona-Quarantäne. Statt Standardenglisch liebt sie Wortspiele, Witze und erfindet neue Wörter: „Ich bin ein ziemlicher Albtraum für meine Übersetzer“, erklärt sie selbstkritisch in einem Dank an ihre Übersetzer.

Der Band „Brennende Fragen“ ist ihrem langjährigen Lebensgefährten Graeme Gibson gewidmet, der 2012 an Demenz erkrankte und 2019 verstarb. So sei es naheliegend, die Ungewissheit über die Entwicklung der Welt mit einer Demenz-Prognose zu vergleichen: „Es kann langsam voranschreiten, es kann schnell voranschreiten oder stagnieren, wir wissen es nicht.“

Trotz aller Krisen bleibt die 83-Jährige optimistisch und setzt auf die Generation der „Post-Millenials“ (der zwischen 1997 und 2012 Geborenen). Dies würden bald Machtpositionen übernehmen. „Hoffen wir, dass sie ihre Macht weise gebrauchen. Und zwar bald“, wünscht sich die Meisterin des Essays.

International bekannt wurde Atwood durch ihre 1985 erschienene dystopische Roman „The Handmaid’s Tale“ (deutsch: Der Report der Magd), der auch als TV-Serie verfilmt wurde. Er spielt in der nahen Zukunft, in der ein totalitäres, religiöses Regime die Macht übernommen hat und Frauen als „Gebärmaschinen“ dienen. Atwood schrieb den Roman im „Orwell-Jahr 1984“ in West-Berlin. 2019 erschien mit „Die Zeuginnen“ eine Fortsetzung.

Ihre Romane, Kurzgeschichten, Gedichte und Essays wurden in mehr als 30 Sprachen übersetzt. Sie hat dafür zahlreiche Auszeichnungen erhalten, darunter den 2017 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und den Booker-Literaturpreis. (2448/15.10.2023)